Unangenehm nah und provokant

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Schon das Cover ist für mich eine klare Ansage! Provokant, körperlich und irgendwie unangenehm nah. Es signalisiert für mich dass dieses Buch nicht gefallen will, sondern etwas behandelt, das wehtut. Genau das bestätigt die Leseprobe. McCurdys Schreibstil ist radikal direkt, oft vulgär, dabei aber auch hochpräzise. Nichts wirkt zufällig. Die Sprache ist roh, schnell, stellenweise brutal ehrlich und gerade deshalb so stark. Ich hatte nicht das Gefühl, hier Schockeffekte zu lesen, sondern eher eine Innensicht.

Der Spannungsaufbau funktioniert dabei für mich weniger über Handlung als über innere Eskalation. Die Leseprobe zieht mich nicht durch ihren Plot, sondern durch psychische Dynamiken an. Körperfremdheit, Konsum, Begehren, Klassenunterschiede und emotionale Vernachlässigung werden thematisiert.

Besonders krass finde ich, wie die Ich-Erzählerin Waldo ihre eigenen Bedürfnisse permanent kleinrechnet und gleichzeitig verzweifelt nach Bedeutung sucht. Das ist unangenehm nah und schwer auszuhalten (im positiven Sinn).

Die bisher vorgestellten Figuren sind alles andere als sympathisch, dafür aber umso glaubwürdiger. Waldo ist widersprüchlich, verletzlich und oft selbstzerstörerisch. Mr. Korgy wirkt von Beginn an problematisch. Diese Konstellation ist offensichtlich gefährlich und genau das macht sie für mich erzählerisch so interessant.

Ich erwarte keine romantisierte Geschichte, sondern eine schonungslose Analyse von Macht, Begehren und Selbstwert. Weiterlesen möchte ich, weil McCurdy sehr genau weiß, was sie tut. Sie zwingt mich hinzuschauen, wo es unbequem wird.