Zwischen Körper und Nähe

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saskian Avatar

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Die Leseprobe von Half His Age hat mich ziemlich direkt erwischt. Sie ist unangenehm ehrlich, stellenweise witzig, dann wieder traurig und ernüchternd – und fühlt sich dabei sehr nah an. Der Sex, den die Erzählerin beschreibt, ist nicht sexy oder aufregend, sondern leer, mechanisch und irgendwie frustrierend. Genau das macht ihn so glaubwürdig. Es geht weniger um Lust als um das verzweifelte Bedürfnis nach Nähe, nach Gesehenwerden.
Besonders stark fand ich die Gedanken über den eigenen Körper: dieses Gefühl, plötzlich in einem Körper zu stecken, der sich verändert hat, bevor der Kopf hinterherkommt. Die Unsicherheit, das permanente Sich-Anpassen, das Gefühl, nicht „zu viel“ sein zu dürfen – all das zieht sich leise, aber konsequent durch den Text. Man merkt, wie sehr vergangene Sätze und kleine Verletzungen nachwirken und Beziehungen prägen, ohne dass man sie ständig bewusst vor sich hat.
Der Ton ist dabei sehr direkt, manchmal bissig, manchmal fast beiläufig grausam. Konsum, Scrollen, Shoppen wirken wie kurze Fluchten, die nichts lösen, aber für einen Moment alles überdecken. Und dann kommt diese irritierende Anziehung zu einem Lehrer ins Spiel – nicht, weil er attraktiv ist, sondern weil er ehrlich ist, verletzlich, ungeschönt. Ab da bekommt die Geschichte etwas Unruhiges, fast Unvermeidliches.
Ich möchte das Buch weiterlesen, weil es sich traut, genau dahin zu schauen, wo es weh tut: zu Begehren, Einsamkeit, Selbstwert und dem Wunsch nach echter Verbindung. Es fühlt sich nicht glatt oder gefällig an, sondern roh und echt – und genau das macht neugierig darauf, wie diese Geschichte weitergeht.