Nostalgische Americana aus deutscher Hand

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bildersturm Avatar

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Benedict Wells kann schreiben, ohne Frage. "Hard Land" liest sich tatsächlich wie ein uramerikanischer Roman, und das nicht nur, weil sein Setting das Kleinstädtchen Grady zur Mitte der 80er Jahre ist. Nein, Wells' Duktus und seine Art, Personen und Orte zu beschreiben, haben ihre Wurzeln im Erbe der großen amerikanischen Realisten (auch wenn es in diesem Zusammenhang seltsam klingt, zählt auch Stephen King ungeachtet seiner meist phantastischen Plots zu diesem illustren Kreis). Die Atmosphäre stimmt hier jedenfalls.

In punkto Handlung lässt sich nach der Leseprobe aber nicht allzu viel sagen - der Autor geht seine Geschichte gemächlich an, lässt sich Zeit, um uns in den Mikrokosmos von Grady einzuführen und uns die Figuren nahezubringen. Da schwebt ein Hauch von King mit und von "Stranger Things" ohne Monster. Wells macht aus diesen Einflüssen keinen Hehl, doch was in den ersten Kapiteln noch einen gewissen Charme hat, weil man eine Atmosphäre wie diese nun eben nicht von einem deutschen Schriftsteller erwarten würde, nutzt sich dann auch schnell ab, wenn es nicht wirklich vorangeht in diesen Sommerferien voller Möglichkeiten.

Zu deutlich bedient sich Benedikt Wells der typischen Versatzstücke, und obwohl seine Kopie eine gute ist, hinterlässt sie einen schalen Nachgeschmack, weil ihr der Autor kaum eine eigene Persönlichkeit mitgibt. Oder, falls er das tut, lässt er sich so viel Zeit damit, dass die Leseprobe allenfalls als (zugegeben brillante) stilistische Fingerübung durchgeht.

Ich habe mich auf den Roman wirklich gefreut, und bin nun ein bisschen enttäuscht, weil "Hard Land" die hohen Erwartungen einfach unterläuft. Schade schade, aber da muss ich dann doch passen.