49 bewegende Geheimnisse

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Der 15-jährige Sam steht kurz vor dem schönsten und schrecklichsten Sommer seines jungen Lebens – seine todkranke Mutter hat nicht mehr lange zu leben, aber er lernt drei wunderbare und sehr unterschiedliche Freunde kennen. Was für den ängstlichen und schüchternen Jungen ein großer Sprung ist. Zu viert arbeiten sie als Nebenjob in einem Kino, erleben die erste Liebe und jede Menge Abenteuer im Missouri der 1980er-Jahre. Und seine Freunde werden Sam auch Halt geben, als seine Mutter stirbt – bevor sie alle verstreut aufs College gehen. Sam hingegen ist noch auf der High School – im Unterricht müssen sie obligatorisch den Gedichtsband „Hard Land“ von William Morris besprechen. Dieser Autor ist für das in starker Veränderung steckende Dorf Grady der einzige Berühmte und sprach mystisch-kryptisch von den 49 Geheimnissen, die jeder für sich vor Ort entdecken kann. Nach dem Tod seiner Mutter, nähert sich Sam zudem seinem Vater an, der für ihn emotional immer unerreichbar war.

"Es war, wie wenn man im Halbschlaf noch hofft, dass etwas nur ein Alptraum war. Und dann kapiert man, dass es genau andersherum ist: Dass es immer die Wirklichkeit war, die wie ein Gewicht schon die ganze Zeit am Traum hing."
S. 30

Benedict Wells hat einen tief berührenden, euphancholischen Coming-of-Age-Roman geschrieben, der klug und feinfühlig komponiert die intensiven Gefühlskapriolen eines Teenagers aufzeigt, der schon früh einen sehr schmerzlichen Verlust verkraften muss und sich zum ersten Mal richtig verliebt. Trauer und Energie, Wut und Freude, Tränen und Lachen geben sich hier die Hand. Mit viel nostalgischer Liebe zu den Kinofilmen und der Musik der 80er-Jahre entführt der Autor soghaft und szenisch in eine warme, melancholisch-humorvolle Geschichte, in die man als Leser tief eintaucht und am liebsten immer weiter lesen möchte, so wachsen die liebevoll erschaffenen Charaktere ans Herz. Die schöne, schlichte und doch präzise mit tollen bildhaften Sätzen gespickte Sprache wird clever mit dem atmosphärischen Plot verwoben, der sich getreu nach Morris in 49 Kapiteln unterteilt. Dieser Clou hat mir sehr gut gefallen, da es in beiden „Hard Lands“ um einen Jungen geht, der erwachsen werden muss.

"Sie lachten immer wieder, doch ich spürte ihre Wehmut vor dem Aufbruch: jeder Abschied eine Narbe. Jeder große Moment nur noch ein Bild im Rückspiegel, das immer kleiner würde."
S. 262

Wells hat einen eigenen, unverkennbaren flotten literarischen Sound gefunden – über Joey Goebel hat er mal gesagt, er beneide jene, die seine Geschichten zum ersten Mal lesen dürfen – dies gebe ich weiter an „Hard Land“: Wie sehr freue ich mich für die, die diesen mit viel Menschlichkeit, Wärme, Fragiles und Schönes ausgestatteten Roman das erste Mal lesen!