80s & ganz viel Tiefgang

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throughmistymarches Avatar

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“Worte (…) waren nicht so leicht zu durchschauen, dafür konnte man in ihnen etwas finden, das tröstete und einem das Gefühl gab, nicht allein zu sein.”

An seine Vorgänger kommt “Hard Land” nicht ran, allerdings hängt die Messlatte da sehr hoch. Die die 2. Hälfte des Romans gehört sicher zu den grandiosesten Dingen, die Wells bisher geschrieben hat, allerdings ist mir der 1. Teil, eine Homage an die Coming-of-Age Filme der 80er, zu repetitiv. Zwar gut geschriebene, jedoch sehr Genre-stereotypische Szenen reihen sich aneinander (und nicht alle Aspekte dieser Filme sind gut gealtert). Wells gibt sich Mühe, den heutigen Zeitgeist einfließen zu lassen ohne dabei das Eighties-Feeling zu zerstören. Gut gelungen ist das bei Cameron und Hightower, weniger gut bei Kirstie, deren Verhalten Sam gegenüber manchmal etwas nervt – hinter der taffen Fassade steckt ein unsicheres Mädchen, doch wie der verliebte Sam mit sich spielen lässt, hätte gern ein 80s Klischee bleiben dürfen. Gerade bei der finalen Szene, nachdem Kirstie ihm ein Jahr lang zeigte, dass sie nur dann Interesse an Kontakt hat, wenn es gerade in ihr Leben passt, hätte ich mir von Sam weniger Passivität, ein bisschen mehr Selbstachtung gewünscht, v.a. nach der Entwicklung die er zuvor, in der 2. Hälfte des Romans, durchmacht. Der Tod der Mutter trennt die beiden Hälften, funktioniert auch als Trennung zwischen Sams Kindheit und dem Erwachsenwerden, denn über Nacht ist er plötzlich alleine mit dem Vater, dessen Beziehung zu Sam wegen seiner eigenen Kindheit kompliziert ist, der mindestens genauso hilflos ist in seiner Trauer wie Sam. Und dann ist da so viel Wut, so viel Angst in Sam. Es ist berührend mitzuerleben, wie Sam lernt, damit umzugehen, sei es durch die langsam wachsende Beziehung zum Vater (großartig!), Rat eines aufmerksamen Lehrers oder durch sein kreatives Outlet, die Musik. Toll entfalten sich auch die Freundschaften, die er in dieser Zeit aufbaut/vertieft. Sprachlich ist Wells ja sowieso ein Genie und im 2. Teil konnte ich den Bleistift gar nicht mehr weglegen, so viele Stellen gab es zu markieren. Im ganzen Roman schafft er es, eine dem Alter des Protagonisten angemessene Sprache zu finden, ohne dabei auf Tiefgang zu verzichten.