Alle Kinder, außer einem, werden erwachsen

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owenmeany Avatar

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Wäre ich Deutschlehrer mit Ambitionen, bei meinen Schülern die Freude an Büchern zu wecken statt ihnen das Lesen mit Verstaubtem zu vergällen, käme mir dieser Roman auf den Lehrplan. Und wäre ich heute 16 Jahre alt, würde ich ihn meinen Freunden als Geheimtipp empfehlen, weil mich genau solche Charaktere sogar heute noch interessieren, ich mag sie allesamt, so unterschiedlich sie auch sind. Denn gerade die Mischung ist hier ausschlaggebend.

Den Schuss Sentimentalität kann ich sehr gut verkraften, wenn sie in so passende Bilder wie das folgende, die Mutter beschreibend, verpackt sind: „Sie war wie diese Stützräder, wenn man Fahrradfahren lernt.“ So locker flockig der Stil erscheint, ist es doch sorgfältig durchkomponiert. Vor Witz überschäumende Passagen lösen die Melancholie ab und auch ein bisschen auf. Die Zitate aus Film, Literatur und Musik tauchen tief ein in die Achtziger, und die vom Autor Wells gewählte Kulisse einer amerikanischen Kleinstadt beschwört alte Vorabendserien herauf. Das kommt irgendwie cooler rüber als eine einheimische Szenerie.

Die Freundschaft der vier jungen Leute hilft Sam, den Verlust der Mutter zu verarbeiten. Durch die Mutproben wird er ein Stück erwachsen, die zuverlässige Bindung an die Clique gibt ihm Selbstvertrauen.

In dieser Geschichte werden Teenager sich verstanden fühlen mit all ihren Zweifeln und Hürden, die sie überwinden müssen, und in Grauköpfen erwacht eine schmunzelnde Nostalgie in der Erinnerung daran, was man damals zu bewältigen hatte, wenn es im Rückblick dann nicht mehr ganz so dramatisch ist. Unglaublich, wie schwer in dieser Lebensphase mickerige elf Wochen wiegen können, so dass man sie für den Rest des Lebens nicht mehr vergisst und als prägend erfährt.

Ein zutiefst ermutigendes, tröstliches Buch.