Großteils guter Roman mit ärgerlich schlechtem Ende

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raoulchagny Avatar

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Neu ist an „Hard Land“ von Benedikt Wells wenig.
Vieles von dem Inhalt war bereits in dieser oder ähnlicher Form in unzähligen Büchern und Filmen zu finden. Insbesondere zu „Eine wie Alaska“ („Looking for Alaska“ von John Green sind die Parallelen auffällig: Ein schüchterner und einsamer Teenager (Sam) freundet sich mit drei energischeren Jugendlichen an, die dafür sorgen, dass er mutiger wird und nach und nach seine Komfortzone verlässt. Unter den neuen Freund*innen ist ein mysteriöses Mädchen (Kirstie), zu dem er sich sofort hingezogen fühlt. Der Protagonist lernt Freude und Leid der Liebe kennen. Er hat die Zeit seines Lebens, bis ein Unglück geschieht. Nun muss der Protagonist lernen, mit der Trauer umzugehen.
„Hard Land“ wird als Hommage beworben und diese Form nutzt Wells gekonnt. Mit vielen Anspielungen schafft er ein nostalgisches Porträt der 80er-Jahre. Dabei beschäftigt er sich insbesondere mit den typischen Themen und Topoi, wie sie in den klassischen Coming-of-Age-Filmen zu finden sind. Dass das Buch dennoch nicht langweilig wird, liegt an dem guten Schreibstil Wells, der sich flüssig liest und anschaulich die Handlung nachzeichnet.
Die Stärke des Buches ist es, wenn Wells die Gefühle von Sam, insbesondere Trauer und Wut plastisch darstellt. Wenn sich das Innenleben des Protagonisten wie ein Schwall ergießt, sind dies eindrucksvolle und berührende Momente.
Dass Wells gelegentlich allzu erwartbare Bilder zeichnet, fällt dabei nicht zu sehr negativ ins Gewicht.
Die Figuren sind glaubwürdig und vielschichtig gestaltet - bis auf Kirstie, bei der es dem Autor offenkundig schwerfiel zu entscheiden, ob sie ein reales menschliches Wesen oder eine Wunscherfüllungsmaschine für den Protagonisten sein sollte.
„Hard Land“ könnte insgesamt ein ganz guter Roman sein, gäbe es nicht den letzten Teil „Pointe“.
Darüber, dass vieles aus diesem Teil wenig bis gar nicht mit der vorhergehenden Handlung des Buches in Verbindung steht und insbesondere die Gespräche mit dem „Inspector“ als ein Fremdkörper erscheinen, ließe sich noch hinwegsehen.
Vielmehr ist der tatsächliche Schluss, die letzten wenigen Seiten des Romans das Problem.
Das Ende, das der Roman findet, ist klischeehaft und abgedroschen, weder originell noch tiefgründig.
Kurzum: Der Schluss ist auf ärgerliche Weise misslungen.
Wells versucht den Roman mit einer Pointe aufzulösen, seinem Buch einen Sinn zugeben, auf den es unaufhörlich hinzugesteuert ist. Dies misslingt.
Eine Pointe ist der Schluss zugegebenermaßen, jedoch auf dem Niveau eines Altherrenwitzes.
Dass dieser nun zum Dreh- und Angelpunkt dieses Buches wird - gewissermaßen die Deutung des Buches vorgibt - entwertet den Roman und alles Gute an ihm ungemein.
Benedikt Wells kann gut schreiben, leider hat er keinen (in Gänze) guten Roman geschrieben.