Rührstück aus den 1980igern

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wandablue Avatar

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Kurzmeinung: Wers rührselig mag und alte Songs nachträllern möchte, ist hier gut aufgehoben.


Sam Turner kämpft mit der unentrinnbaren Aufgabe, erwachsen zu werden und das in Grady, einem kleinen, verschlafenen Städtchen in Missouri am Virgin Lake. Irgendwo fließt auch der Missouri gemächlich dahin. Der Strom des Lebens eben.

Benedict Wells lässt die Kleinstadtidylle oder Kleinstadtmisere, je nach Betrachtungsweise, in seiner Coming of Age-Geschichte vor unseren Augen erstehen. Aus irgendeinem Grund entführt er uns dazu in die 80iger Jahre. Das hätte er mal besser nicht getan.

Wie viele Städtchen hängt auch das Leben in Grady von einem einzigen Arbeitgeber ab, das ist vor Ort die Textilbranche. Die M-Tex ist gerade abgewandert in ein Billiglohnland und Sams Vater von daher arbeitslos. Sam durchläuft die üblichen Kalamitäten der schwierigen Übergangsphase zum Erwachsen sein: Seine Identität finden, Freunde finden, seinen Platz finden, (s)einen Standpunkt finden, die Liebe finden. Verluste verkraften.

Der Kommentar:
Was veranlasst, besonders männliche Autoren, die 1980er so zu verklären? Es gab in dieser Zeit genau wie in anderen, reichlich Probleme auf der Welt. Benedict Wells ist jedoch sehr angetan vom sogenannten Lebensgefühl dieser 80er Jahre und lässt nicht nur Songs (Playliste) und Filme in epischer Ausführlichkeit in seinen Roman einfließen, langweilig, sondern stellt mit „Hard Land“ sogar eine Gedichtinterpretation in den Mittelpunkt. Auch langweilig. Sterbenslangweilig.

"Hard Land" könnte ein Jungsbuch sein, denn die einzige Frauensperson, die eine wichtige Rolle spielt, ist eine Schlampe, Kristie mit dem „heißen Höschen“. Ansonsten Männerfreundschaft. Alkohol und Drogen. Paar nette Einfälle von Wells, aber nichts Besonderes und ein paar flippige Sprüche. Vor allem aber jede Menge Rührseligkeit und Heldenposen. Das hässliche Entlein Sam hat sich in einen Schwan verwandelt und promotet mit (an)gebrochenem Kiefer einen wilden Song in einer Kirche. Oha. Haltet ein. Nicht zu vergessen die vorangegangene Mutprobe!

Fazit: Neben einigen mehr oder weniger brillanten Einfällen, eher weniger, und einer Menge Rührseligkeit, bietet Hard Land nichts, was den anspruchsvollen Leser begeistern könnte. Ein Coming of Age-Roman wie viele. Und ziemlich abgegessen noch dazu. Friede. Freude. Eierkuchen am Ende.

Im Unterhaltungssektor reicht es aufgrund einer gefälligen, flippigen Sprache noch für drei Sterne am Literatenhimmel, dessen drittes Sternbildmitglied, man aber nur bei sehr klarem Himmel erspäht.

Kategorie Unterhaltung.
Verlag: Diogenes, 2021