Schonungslos, grausam

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Der Klappentext leitet einen etwas in die Irre, denn er liest sich so, als würde es in diesem Buch primär um Liv gehen. Tatsächlich aber ist der Hauptprotagonist ihr Vater Jens.

Jens ist äußerst empathisch, emotional und bindend. So begleitet ihn beispielsweise ständig die Angst, gewisse Dinge, die ihm ans Herz gewachsen sind, wieder zu verlieren. Das macht ihn greifbar und authentisch. Ich mochte ihn auf Anhieb. Die Kehrseite, denn auch Jens hat natürlich seine Ecken und Kanten, ist das Messie-Syndrom. Im weiteren Verlauf der Geschichte realisiert man dessen Ausmaße und erfährt in Rückblenden, wie es dazu kam. Seine Frau bemerkt das krankhafte Verhalten, dringt jedoch nicht zu ihm durch. Irgendwann verlassen sie ihre Kräfte, sie gibt auf. Doch anstatt dafür zu sorgen, dass er professionelle Hilfe bekommt, hält sie sich bedeckt, denn sie möchte ihn weder kränken noch verraten. Nur ihrer Tochter teilt sie sich mit. Liv ist mit und in diesem Zustand groß geworden, sie kennt es also nicht anders. Für sie ist Jens aber ihr Vater, den sie über alles liebt. Sie möchte zu ihm stehen. Zunächst. Denn als es so aussieht, als würde sich bei ihrem Vater rein gar nichts zum Guten wenden, sieht sie sich gezwungen, drastischere Schritte einzuleiten.

Das meiste wird aus Livs Perspektive erzählt. Zwischendurch werden kurze Briefe der Mutter an ihre Tochter eingeschoben, was ich sehr interessant fand. Dadurch entstand eine melancholische und beklemmende Atmosphäre. Sprache und Schreibstil trugen dazu bei, dass mich der Plot völlig einnehmen und davontragen konnte. Das Ende kam leider viel zu schnell, ließ aber keine Fragen und Wünsche offen. Alle Stränge verliefen schlüssig und logisch.

Persönliches Fazit: Kein typischer Thriller, denn hier wird im Grunde nur der Alltag dieser Familie geschildert, aber so schonungslos und grausam, dass Freunde des Genres auf ihre Kosten kommen.