Familienroman trifft Thriller

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
sternchen1202 Avatar

Von

Klappentext:
Meine Augen sehen alles. Du bist nicht allein. Niemals!
Lara verbringt einen langen heißen Sommer mit ihrer Familie an der amerikanischen Ostküste. Die Ferien sollen eigentlich die Ehe kitten. Aber dann geschehen merkwürdige Dinge in dem verschlafenen Ort.
Gegenstände verschwinden, ihre Kinder geraten in Lebensgefahr, und Lara fühlt sich ständig beobachtet. Niemand glaubt ihr, doch Lara weiß: Jemand hat es auf sie abgesehen. Um ihre Familie zu retten, muss sie sich auf das gefährliche Spiel einlassen – auch wenn sie dabei ihr Leben riskiert…
„Julia Crouch ist brillant: eine hochgefährliche Atmosphäre mit einem explosiven überraschenden Schluss – besser als jede Achterbahnfahrt!“ The Guardian

Nach der Veröffentlichung von „Angsthauch“ Anfang 2012, erschien Julia Crouchs zweiter Thriller „Hautnah“ im Oktober 2012 ebenfalls im Ullstein-Verlag, der von VOX als „Top-Thriller“ ausgezeichnet ist. Julia Crouch arbeitete nach ihrem Studium der Theaterwissenschaften zehn Jahre lang als Bühnenschriftstellerin und Regisseurin. Sie hat bereits drei Kinderbücher und mehrere Bände mit Kurzgeschichten publiziert. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Brighton.
In dem Thriller „Hautnah“ geht es um die Familienmutter Lara, die sich mit ihrem Mann Marcus, den sechszehnjährigen Zwillingen Bella und Olly und dem Jüngsten Jack auf dem Weg von Brighton nach Amerika befindet, um dort den Sommer zu verbringen. Nach einer Abtreibung, die bei Lara deutliche Nachwirkungen hat, soll der Sommer in Trout Island, New York, Besserung für die gesamte Familie und die Ehe von Lara und Marcus bringen.
Marcus soll in dieser Zeit bei der Trout Island Theatre Company endlich wieder eine Rolle, die Hauptrolle, in einem Shakespear-Stück von James, einem seiner Jugendfreunde, übernehmen. Lara hofft, dass hierdurch wieder die geliebte Seite des Mannes hervortritt, den sie einst geheiratet hat.
Doch dann geschehen merkwürdige Dinge. Es beginnt damit, dass der Mietwagen nach dem Einkauf nicht mehr dort geparkt ist, wo Lara ihn abgestellt hat und drei Reifen platt sind. Obwohl in dem verschlafenen Ort Trout Island nie ein Mensch auf der Straße zu sehen ist, fühlt Lara sich beobachtet. Auch scheint das vom Theater angemietete Larssen-Haus ein Geheimnis zu hüten, was deutlich wird, als Lara einen versteckten Keller mit Bett, Tisch und Fesseln findet.
Als die gesamte Familie das Theater besucht, um das zurzeit aufgeführte Musical zu sehen, hat Lara wieder das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie sieht sogar einen Mann, doch Marcus ist der Ansicht, sie habe sich das nur eingebildet.
Doch auch um die Familie selbst ranken sich einige Geheimnisse. Lara und Marcus treffen einen Freund aus ihrer Jugendzeit, der ein berühmter Hollywood-Schauspieler geworden ist. Stephen Molloy scheint ein geheimnisvoller Mensch zu sein, den mit Lara offensichtlich mehr verbindet als eine reine Freundschaft. Mit ihm zusammen geschehen Lara weitere seltsame Dinge, die sie sich nicht erklären kann. Auch zwischen den Zwillingen Bella und Olly scheinen Dinge abzulaufen, die die restliche Familie nicht wahrnimmt.

„Was hätte aus ihr werden können, wenn ihr das Leben nicht dazwischen gekommen wäre?“ Diese Frage stellt sich Lara Wayland, die Protagonistin, im Verlauf des gesamten Romans immer wieder und hinterfragt damit ihre Familie und ihre gesamte Existenz. Marcus, ein erfolgloser Theaterschauspieler, scheint zu den Zweifeln seiner Frau beizutragen, da er gerne trinkt, nichts tut oder mit anderen Frauen flirtet. Im Laufe des Romans wird Lara bewusst, dass ihr die Liebe zu ihrem Mann abhanden gekommen ist. Zwar liebt Lara ihre drei Kinder Olly, Bella und Jack, jedoch scheinen die Kinder, ein Gefängnis um ihre Mutter aus Pflichten und Liebe errichtet zu haben. Aus diesem Gefängnis versucht Lara mithilfe von Stephen Molloy, ihrer Jugendliebe, den sie zufällig wiedergetroffen hat, auszubrechen. Doch als merkwürdige Dinge geschehen und Laras Familie bedroht wird, entscheidet sie sich für die Familie und schützt sie mit dem eigenen Leben.
Der Roman „Hautnah“ umfasst insgesamt 47 Kapitel, die von zwei Kapiteln („Die Unbekannte“ und „Das Bekannte“) umrahmt werden, was mir sehr gut gefallen hat. In „Die Unbekannte“ wird eine Frauenleiche gefunden, aus deren Perspektive hier erzählt wird. Jedoch erfährt der Leser nicht, um wen es sich handeln könnte. „Das Bekannte“ schließt dann den Roman ab, indem einige Dinge aufgeklärt werden, jedoch auch Neues angesprochen wird. Das Ende wird somit offen gestaltet.
Dann beginnt direkt die Geschichte der Familie Wayland. Die Erlebnisse werden durch einen personalen Erzähler geschildert, jedoch legt dieser Erzähler seinen Fokus in 37 Kapiteln auf Lara und stellt deren Sicht der Dinge dar. In den zehn übrigen Kapiteln wird die Geschichte aus Bellas Sicht erzählt. Dieser Wechsel der Erzählperspektive hat mir sehr gut gefallen, da man so die Geschichten der beiden Frauen gut nachvollziehen konnte. Lara ist eine Frau, die mit 19 Jahren geheiratet hat und gleich schwanger wurde. Sie konnte keine eigene Berufsausbildung abschließen, sondern war mit zwei Babies an die Wohnung gefesselt.
Bella hingegen ist die 16-jährige Tochter, die von ihrem Bruder unterdrückt und kontrolliert wird. Sie hat kaum Freiraum, versucht sich diesen jedoch zu verschaffen, indem sie viel Zeit mit ihrem neuen Freund Sean verbringt, was Olly ein Dorn im Auge ist. Lara jedoch sieht diese Problematik nicht, was für mich nicht nachvollziehbar war. Lara ist so sehr mit den eigenen Problemen beschäftigt, dass sie das Leid der Tochter nicht erkennt und sich nicht mit den Problemen der Zwillinge beschäftigen will.
Crouch schreibt in einer sehr eingänglichen und verständlichen Sprache. Jedoch hatte ich mir von dem Buch deutlich mehr versprochen. „Hautnah“ wird in das Genre der Thriller eingeordnet, was ich jedoch bis zur Seite 250 nicht nachvollziehen kann. Vielmehr stehen die Themen des familiären Zusammenhalts und die Identitätskrise der Mutter im Vordergrund. Zwar geschehen nebenbei mysteriöse Dinge, über die man jedoch schnell „hinweglesen“ kann. Erst als Olly und seine „neuen Freunde“ Bella und Sean an einem Teich auflauern und beide bedrohen, bekam ich das Gefühl, einen Thriller zu lesen. Vorher zog sich das Buch sehr in die Länge.
Gut hingegen hat mir dann aber gefallen, dass im Nachhinein einige der mysteriösen Dinge aufgeklärt werden und der Leser eine ganz neue Sicht auf die Dinge erhält.
Notentechnisch würde ich das Buch „Hautnah“ im 3er-Bereich einordnen, jedoch würde ich es nicht als Thriller kategorisieren. Es liegt vielmehr eine Mischung aus einem Familienroman und einem Thriller vor. Bei mir selbst kam erst auf den letzten 200 Seiten wirkliche Lesefreude auf, jedoch war das Buch auch hier nicht in der Lage die beklemmende Atmosphäre wirklich zu vermitteln. Zwar entstand durch relativ kurze Kapitel und schnelle Wechsel eine innere Unruhe, die aber nicht stark genug war, um mich wirklich zu berühren.
Ich würde das Buch an Leser weiterempfehlen, die sich an das Genre Thriller ansonsten nicht herantrauen. Durch „Hautnah“ erhielten sie einen „leichten“ Einstieg!