Ein Satz mit X...

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arachnophobia Avatar

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…das war wohl nix.


Herrlich! Es ist doch immer wieder erhebend, wenn man sich so richtig schön über ein literarisches Machwerk aufregen kann. Natürlich wäre es schöner, wenn das Buch so gut ist, dass man sich einfach daran erfreut, aber, um das Phrasenschwein kräftig zu füttern: Das Leben und Lesen ist eben kein Wunschkonzert. Macht man halt aus der Not eine Tugend und wettert ein wenig.

Dabei hatte ich mich doch so auf das Buch gefreut! Seit einer Weile das erste Buch aus dem Genre, das ganz weit oben auf meiner Wunschliste gelandet ist. Allein schon das Cover gefällt mir richtig gut. Vielleicht ein wenig verkitscht, aber alleine von der Haptik macht der Umschlag richtig was her.

Und auch die Leseprobe konnte mich absolut überzeugen. Zera, die Protagonistin, machte auf mich einen ordentlichen Eindruck: Eine trotz ihrer Vergangenheit recht selbstbewusste junge Frau, die zudem nicht auf den Mund gefallen war. Ich habe mich so sehr auf kurzweilige Wortgefechte mit dem Prinzen gefreut, den sie schließlich umgarnen sollte, um an sein Herz zu gelangen. Einziges Manko zu dem Zeitpunkt: Die Hexennamen sind in meinen Augen einfach unfassbar lächerlich. Nightsinger, Firewalker… wie alt ist die Zielgruppe? 11? Aber okay, die Hexen spielen keine dauerpräsente Rolle, da kann ich notfalls darüber hinwegsehen.

Über den ganzen schlimmen Rest dann allerdings leider nicht…

Das Tempo der Story ging nach der Leseprobe erstmal gemütlich in den Keller. Hier wird Zera bei einer quasi, sagen wir mal „Adoptivtante“ auf ihre Rolle bei Hofe vorbereitet. Also sozusagen den im Wald lebenden Bauerntrampel gesellschaftsfähig machen. An sich eine Konstellation, die Potenzial hat, aber irgendwie hat die Autorin es geschafft, mich damit grandios zu langweilen. Die Seiten zogen sich wie Kaugummi ohne besondere Höhe- oder auch Tiefpunkte. Aber zum Glück wird das am Schluss des Buches ausgeglichen, das „große Finale“ ist nämlich sehr hektisch und wischiwaschi auf die Seiten gerotzt. Ich habe das Auftauchen des großen Antagonisten sogar fast überlesen, so plötzlich kam alles. Okay, zwischen zäher, langer Einführung und Schluss war das Tempo meist in Ordnung, da las sich die Geschichte immerhin recht flott weg.

Punkt zwei, die Charaktere… Zera mutierte leider sehr schnell von erfrischender Schnodderschnauze zum emotionalen Hachseufz-Weibchen. Alles, was es dafür brauchte, war ein Blick in die dunklen Augen des Prinzen. Haaach… Nicht wirklich nachvollziehbare, übereilte Liebesentwicklung, bei der allerdings auch nicht viele Emotionen aufkamen, statt ordentlicher gegenseitiger Frotzelei. Schade. Zudem ging Zera auch übermäßig in ihrem Selbstmitleid auf und wenn irgendwann gefühlt auf jeder Seite geschrieben steht, was für ein Monster sie ist, weil sie jemanden getötet hat und ach, wie sehr sie davon verfolgt wird und ach, was für ein Unmensch sie ist, dann kommt da bei mir keine tragische Hintergrundgeschichte an, sondern nur noch nerviges Mimimi. Aber hey, als Ausgleich schwafelt ihr quasi „inneres Monster“ immer in ihre Gedanken und Gespräche rein und möchte einfach alles meucheln, was ihr in den Weg kommt. Blabla, Nebenwirkung des fehlenden Herzens, Rhabarber Rhabarber. Grad in der zweiten Buchhälfte hat es einfach nur noch unfassbar genervt, wenn ständig eine Stimme aus dem Off „TÖTE IIIIIHHHHN!“ keifte. Ein Kunstgriff der literarischen Freiheit, nur leider kein guter.

Apropos literarische Freiheit – der Stil wies auch so einige Tiefpunkte auf. Mit den schnodderigen, umgangssprachlichen Aussagen und Scherzen von Zera und der anderen Charaktere kam ich grundsätzlich klar. Man könnte bemängeln, dass das nicht zu einer am Königshofe spielenden Geschichte passt, aber es hat für mich das Buch zumindest erträglich zu lesen gemacht. Ein paar Mal konnte ich immerhin schmunzeln, juhu! Und dann wiederum gab es solche Prachtkerle von Satzkonstrukten, nach welchen ich das Buch tatsächlich angewidert zuschlagen und weit von mir entfernt weglegen musste:

“Der Spiegel wispert mir zu, dass ich hübsch bin, auch wenn alles, was ich sehe, die verdrehte, verkrümmte Dunkelheit meines Unherzens ist, das aus jeder Pore blutet.”

Ach du meine Fresse… Gibt es online vielleicht einen Generator für „schwurbeligen Fantasykitsch“? Anders kann ich mir das Zustandekommen dieser wüsten, unpassenden Aneinanderreihung von höchstdramatischen Worten nicht erklären. Sorry, aber spätestens hier war es vorbei und ich konnte das Buch einfach nicht mehr ernstnehmen.

Wenig hilfreich waren auch die Fantasywesen, deren Existenz mir doch ein wenig konstruiert und künstlich vorkam. Von wegen „Oh, ich schreibe Fantasy. Hexen gibt’s schon. Bau ich noch ein paar komische Viecher mit ein…“ Irgendwie passte mir hier alles nicht so recht zusammen, als hätte sich die Autorin ein bisschen übernommen und versucht, zu viel in zu wenig Seiten reinzuquetschen. Das Setting blieb teilweise etwas kulissenhaft, die Charaktere teils doch arg oberflächlich. Wer nicht eindeutig schwarz oder weiß war, wurde allzu offensichtlich in eine graue Schublade gequetscht. Die ganze Charakterentwicklung hatte zu wenig Substanz, ging zu schnell vonstatten. Ich bin immer wieder darüber gestolpert, wie wenig Zeit im Laufe der Story überhaupt vergeht. Gefühlt haben sich die Charaktere untereinander verhalten, als würden sie sich im Laufe mehrere Monate kennengelernt haben.

Also wenn ich für jedes Fluchen und ungläubige Kopfschütteln einen Stern abziehen würde, wären wir weit im Minusbereich gelandet. Warum trotzdem zwei Sterne? Weil es zwischen diesen leider sehr großen, miesen Passagen doch ganz gute Momente gab, in denen Tempo und Humor gut harmonierten. Grad das letzte Drittel las sich tatsächlich fast gut, bis das vom Finale mit dem Ar*** wieder eingerissen wird.

Und außerdem muss ja auch trotzdem ein wenig Luft nach unten bleiben – ich habe schließlich trotz allem noch schlechtere Bücher gelesen. Aber trotzdem gibt es nur ganz knapp einen zweiten Stern.