Eine Welt zwischen Ballsälen und Hexerei

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Als ich dieses Buch aufschlug, erwartete ich eine weitere typische Regency-Romance mit Fantasy Charakter. Was ich bekam, war eine faszinierende Mischung aus gesellschaftlichen Intrigen und magischen Geheimnissen, die mich von der ersten Seite an gefesselt hat.

Der Schreibstil hat mich wirklich mitgenommen. Die Erzählperspektive fließt natürlich und lässt mich als Leserin tief in die Geschichte eintauchen. Besonders gelungen finde ich die POV-Wechsel zwischen den Charakteren - sie fühlen sich nie abrupt oder störend an, sondern ergänzen sich perfekt und geben mir verschiedene Blickwinkel auf die sich entfaltenden Ereignisse. Die Autorin schafft es, jedem Charakter eine authentische Stimme zu verleihen, sodass ich sofort erkenne, aus wessen Perspektive gerade erzählt wird.

Was mich allerdings manchmal aus dem Lesefluss gerissen hat, waren einige zu offensichtliche Foreshadowing-Momente. An manchen Stellen fühlte sich das Vorantreiben des Plots etwas forciert an - als würde mir die Autorin mit dem Zaunpfahl winken, anstatt die Hinweise subtil in die Handlung einzuweben.

Die Geschichte ist definitiv plot-getrieben, und das in einem sehr positiven Sinne. Die Verbindung zwischen der Regency-Gesellschaft mit all ihren Hierarchien und dem Streben nach gesellschaftlichem Ansehen und der verborgenen Welt der Hexerei funktioniert überraschend gut. Die Verfolgung und Unterdrückung der Hexen fügt der ansonsten eleganten Ballsaal-Atmosphäre eine düstere, spannungsgeladene Ebene hinzu.

Die Geschichte entwickelt sich kontinuierlich weiter, ohne dass mir langweilig wird. Jedes Kapitel bringt neue Wendungen oder Enthüllungen, die mich zum Weiterlesen motiviert haben. Besonders das Ende hat es in sich - hier nimmt das Buch noch einmal ordentlich an Fahrt auf und lässt mich das ein oder andere Mal kurz den Atem anhalten. Die finale Wendung und der Cliffhanger machen definitiv Lust auf mehr, und ich könnte mir vorstellen, dass der zweite Band um einiges mehr versprechen wird als dieser erste Teil.

Hier liegt definitiv die größte Stärke des Buches. Die Charaktere - sowohl die Hauptfiguren als auch die Nebenfiguren - sind unglaublich vielschichtig gestaltet. Was mich besonders beeindruckt hat, ist, wie die Autorin sowohl innere als auch äußere Konflikte nutzt, um ihre Figuren anzutreiben. Jeder Charakter kämpft nicht nur gegen externe Hindernisse, sondern auch gegen seine eigenen Zweifel, Ängste und Wünsche.

Im Verlauf der Geschichte werden immer neue Facetten der einzelnen Charaktere aufgedeckt, was dazu führt, dass ich meine Meinung über manche Figuren komplett revidieren musste. Diese Charakterentwicklung fühlt sich organisch und glaubwürdig an - niemand ist eindimensional oder vorhersagbar.

Die Beziehungsdynamiken zwischen den Charakteren sind komplex und realistisch. Allerdings muss ich gestehen, dass der Beziehungsaufbau zwischen den beiden Protagonisten nicht ganz stimmig für mich war. Ihre Annäherung wirkte stellenweise zu aufgesetzt und forciert, als würde die Autorin sie zusammenbringen wollen, ohne dass sich die Chemie zwischen ihnen organisch entwickeln konnte. Trotzdem habe ich ihre individuelle Charakterentwicklung mit großem Interesse verfolgt.

Das Worldbuilding ist solide, auch wenn es nicht im Zentrum der Geschichte steht. Die Regency-Welt mit ihren gesellschaftlichen Normen und Erwartungen ist authentisch eingefangen, und die Integration der magischen Elemente wirkt nicht aufgesetzt.

Das Magiesystem finde ich grundsätzlich interessant und durchdacht, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass es etwas mehr Raum bekommen hätte. Die Regeln und Grenzen der Magie sind erkennbar, aber bleiben teilweise im Vagen. Für eine charaktergetriebene Geschichte funktioniert das jedoch gut - die Magie dient der Handlung und den Charakteren, anstatt sie zu dominieren.

Das weniger detaillierte Worldbuilding stört mich in diesem Fall nicht, da die Geschichte ihren Fokus klar auf die Charaktere und deren Entwicklung legt. Die Welt ist lebendig genug, um glaubwürdig zu sein, ohne mich mit unnötigen Details zu überfrachten.

Fazit

Dieses Buch hat mich positiv überrascht. Es ist eine gelungene Mischung aus gesellschaftlichem Drama und übernatürlichen Elementen, getragen von außergewöhnlich gut entwickelten Charakteren. Trotz einiger kleiner Schwächen beim Foreshadowing und dem etwas oberflächlicheren Magiesystem hat mich die Geschichte von Anfang bis Ende gefesselt.

Wer komplexe Charaktere, gesellschaftliche Intrigen und eine Prise Magie schätzt, wird hier definitiv auf seine Kosten kommen. Ich freue mich schon darauf, mehr von dieser Autorin zu lesen.