Schlesische Familiengeschichte

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hennie Avatar

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„Heimat ist ein Sehnsuchtsort" erzählt eine dramatische, schicksalhafte Geschichte, die 1928 in einem kleinen schlesischen Örtchen in der Nähe von Gleiwitz, ihren Anfang nimmt. Die Chronik des Vorkriegs- und Kriegsgeschehens erfolgt insbesondere anhand der Personen, die mit der Bauernfamilie Sadler zu tun haben.

Laurenz Sadler lernt seine Annemarie durch einen unachtsamen Zusammenstoß auf der Straße kennen. Der verträumte Musikstudent verliebt sich Knall auf Fall. Allerdings verhindern mehrere Tragödien auf dem elterlichen Bauernhof seine Komponistenkarriere. Laurenz muss den Hof tatkräftig und in voller Verantwortung übernehmen. In großem Abstand bekommen sie zwei außergewöhnliche Töchter. Die erstgeborene Katharina ist hoch begabt, vielseitig talentiert. Franziska leidet unter einer seltenen Erkrankung, die sie zu einer hochsensiblen, empfindsamen Seele macht. Die Gemeinschaft auf dem Sadlerhof ist geprägt von einem harmonischen Zusammenspiel in den Verantwortlichkeiten für Mensch und Tier, von gegenseitigem Respekt, Fürsorglichkeit, Liebe und Verständnis. Bevor die braune Gefolgschaft Hitlers von der dörflichen Idylle Besitz ergreift, sorgt eine Bewohnerin mit ihrem abgrundtief schlechten Charakter, ihrem Haß und Neid für ständigen Unfrieden. Auf die Familie Sadler hat sie es im besonderen Maße abgesehen und ihre giftigen Attacken finden einen guten Nährboden bei den Nazis. Das Unheil nimmt seinen Lauf...

Ich fand es sehr beeindruckend, wie die Autorin Hanni Münzer ihre Protagonisten durch die Handlung führt und mit den relevanten, geschichtlichen Ereignissen in Verbindung bringt. Da wären der Überfall auf Polen, die geheimen Forschungen an der V2-Rakete, die polnische Widerstandsbewegung, Agententätigkeit u.v.mehr. Daraus entstand ein unglaublich lebendig wirkender Ablauf, in dem sich alle Personen bewegen. Bis in die kleinste Nebenrolle erfahren die Akteure eine detailreiche Zeichnung ihrer Charaktere. Auch die Handlungsabläufe sind sorgfältig erdacht. Nichts scheint mir dem Zufall überlassen. An einigen Stellen ist es mir etwas zu viel des Guten (z. B. die Umstände, um Kathi als Hochbegabte nach Berlin zu holen oder die Wandlung des Fräulein Liebig, die Verhörmethoden im Hause Sadler...). Die tragischen Momente überwiegen und doch gibt es immer wieder Hoffnung, kleine Lichtblicke im immer trister werdenden Alltag. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Dieser Humor und der Zusammenhalt läßt die Menschen vieles ertragen und immer wieder nach Auswegen in dieser trostlosen, vom Werteverfall, Tod und Verderben gekennzeichneten Zeit suchen.

Fazit:
Es ist trotz der angesprochenen Kritikpunkte ein lesenswertes, bewegendes Buch mit starken Charakteren, das mich neugierig macht auf die Fortsetzung. Ich möchte gern verfolgen, wie es im zweiten Band der epischen Saga mit der Familie Sadler weitergeht.
Erwähnenswert ist die Karte von Schlesien in den Grenzen von 1914 vorn im Buch. Eine ausführliche „Dramatis Personae" gibt Auskunft über die Personen.

Ich bewerte diesen Roman mit fünf von fünf Sternen und empfehle ihn für alle Leser, die es lieben, historische Fakten fantasiereich verpackt zu erleben.