Gute Gründeridee! Aber muss man die so breit walzen?

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thirteentwoseven Avatar

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Über das Buch von Sina Trinkwalder "Heimat muss man selber machen" bin ich zwiegespalten. Einerseits finde ich die Gründeridee zu Manomama spannend und bewundere das Durchhaltevermögen der Unternehmerin, andererseits finde ich das Buch unausgegoren und ziemlich oberfächlich. Ob sich eine Geschäftsidee mit Sozial-und Ökotouch so einfach übertragen lässt? Na, ich weiß nicht.

In meinen Augen enthält das Buch viel Uninteressantes, z. B. wird ausführlich beschrieben wie eine frühere Nachbarin, Frau Schmidt, ihren Frühstücksschinken rollt. Auch werden subjektive Empfindungen oder Ergebnisse von Selbsttests als Tatsachen hingestellt. Nicht haltbar ist in meinen Augen die Behauptung, dass man mit Hartz4 bequem auskommt. Als Beweis wird ein 2-monatiger Selbstversuch genannt. Ich glaube nicht, dass das Frau Trinkwalder schon berechtigt, darüber urteilen zu können.

Auch sonst wimmelt es im Buch von Plattitüden und Allgemeinplätzen. Immer wieder wird auf Digitalisierung und Globalisierung und den dadurch hervorgerufenen Identitätsverlust des Einzelnen verwiesen. Genervt haben mich auch die Floskeln und Vokabeln aus der Werbebranche, allen voran die Ansprache der Mitarbeiter als "meine (Betonung auf m e i n e )Ladys und Gentlemen"! Das Aufstellen von Regeln wird als besondere Leistung hervorgehoben und breit gewalzt.

Gefreut hätten mich auch ein paar harte Zahlen zum Hintergrund des Unternehmens. Wie viele Mitarbeiter, Fluktuation, Gehalt, Fördergelder etc.. Ist das Unternehmen Manomama und "System" Heimat auch langfristig und unter harten Wettbewerbsbedingungen tragfähig?

Ich will hier aber nicht nur "meckern". Eine ganz wichtige und gute Kernaussage des Buches ist für mich, dass man "selbst" etwas machen muss und kann, um sein Schicksal und das Wohl der Mitmenschen in die Hand zu nehmen. Dies scheint Frau Trinkwalder mit ihrem Unternehmen für sich selbst und ihre Mitarbeiter gelungen zu sein. Da ziehe ich den Hut vor. Menschen, die aus der Gesellschaft gefallen sind, wieder einen Sinn und Lebensfreude zu geben, ist einfach klasse. Jeder verdient eine zweite oder dritte Chance und auch Anerkennung und Respekt. Dies sind aber Werte und Regeln, die nicht neu erfunden wurden, sondern nur wieder in den Vordergrund und ins Bewusstsein zurückgeholt werden müssen. Dies ist ein großer Verdienst von Frau Trinkwalder, denn nicht mehr und nicht weniger hat sie in ihrem Unternehmen gemacht.

Fazit:
Insgesamt kann man den tatsächlichen Inhalt des Buches in meinen Augen auf wenige Seiten reduzieren. Eine tolle Gründeridee und ihre Durchführung wird hier künstlich aufgeblasen und mit viel unausgegorenem und vermeintlich allgemeingültigem Blabla auf über 200 Seiten gebracht und unter dem Begriff "Heimat bzw. bessere Gesellschaft machen" subsummiert. Es finden sich aber auch durchaus gute und wertvolle Gedanken und Anregungen. Ich empfehle deshalb kritisches Querlesen.