Erschreckend der Inhalt, gut geschrieben der Text.

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Aktueller geht es nicht, was mich zu diesem Roman hinzieht. Dieser Text hat mich sofort gepackt – nicht mit plötzlicher Spannung, sondern mit einer eindringlichen, leisen Wucht. Was mich beeindruckt hat, ist, wie klug und politisch aufgeladen er ist, ohne dass er laut wird. Alles ist da: das Frauenbild zwischen Selbstaufgabe und Selbstermächtigung, die Vereinzelung im gesellschaftlichen Idealbild der „perfekten Mutter“, die unterschwellige Präsenz rechter Ideologie in neuen „Heimatidyllen“. Und doch wirkt es nie wie eine Agenda, sondern wie das echte, atmende Leben. Erschreckend.

Wir lernen Jana kennen bei ihrem Versuch, mit etwas aufzuräumen, das längst über sie hereingebrochen ist. Ihr Blick in den Spiegel am Anfang, dieses zarte Gefühl von Ekstase und Zugehörigkeit – das war für mich ein Moment, in dem eine Frau sich ganz kurz selbst sieht, bevor die Welt sie wieder verschluckt. Und dann: die AfD in der Lokalzeitung, der Smartvillage-Wahnsinn, der unterschwellige Druck aus jeder Ecke. Furchtbar.

Besonders stark finde ich, wie viel Subtext in ganz alltäglichen Szenen steckt – im Supermarkteinkauf, im Kindergeschrei, in der stummen Distanz zwischen Eheleuten. Jede Zeile scheint auf etwas Größeres zu verweisen. Und Karolin? Dieses schillernde Gegenbild, das einerseits anziehend ist und andererseits auch eine inszenierte Projektionsfläche. Ich weiß noch nicht, was ich von ihr halte – und das ist für mich ein gutes Zeichen.
Denn dieser Text gibt keine einfachen Antworten, sondern stellt kluge, unbequeme Fragen. Ich bin sehr neugierig, ein sehr sehr gelungener Anfang.