Potential mit leichten Schwächen

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noiram Avatar

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Ich habe die Leseprobe von Hannah Lühmanns "Heimat" gelesen und bin wirklich zwiegespalten. Einerseits fesselt mich die Geschichte von Jana, die mit ihrer Familie aufs Land zieht und dort auf eine Nachbarin trifft, die eine "Tradwife" ist und für alles steht, wogegen Jana eigentlich ankämpft. Die Beschreibung, wie Jana sich von Karolin fasziniert fühlt und sich sogar dabei ertappt, ihr Leben zu beneiden, ist sehr spannend. Es zeigt eine interessante innere Zerrissenheit, die viele Frauen heute vielleicht nachempfinden können. Auch die Beobachtungen über das Landleben und die dort herrschenden konservativen Ansichten, besonders die AfD-Wähler, sind aktuell und regen zum Nachdenken an.
Andererseits finde ich Jana als Hauptfigur manchmal etwas anstrengend. Ihre ständigen Selbstzweifel, die Schwierigkeiten mit ihren Kindern und die angespannte Beziehung zu ihrem Mann Noah wirken ein bisschen übertrieben. Ich kann ihre Frustration verstehen, aber es fühlt sich so an, als würde sie sich sehr in ihrem Unglück suhlen. Die Szene im Supermarkt, in der sie Louis anschreit und sich von der alten Dame bewertet fühlt, ist zwar realistisch, aber auch ein bisschen deprimierend. Die Beschreibung ihrer ehemaligen Chefin Renate und das Gespräch über ihre Kündigung und Schwangerschaft ist gut geschrieben und zeigt, wie viel Druck auf Frauen lasten kann.
Ich bin gespannt, wie sich die Beziehung zwischen Jana und Karolin entwickelt und ob Jana ihren Platz auf dem Land finden wird. Der Kontrast zwischen Janas urbanem Denken und Karolins traditionellem Lebensstil bietet viel Potenzial für weitere Konflikte und Entwicklungen. Insgesamt ist es eine vielversprechende Leseprobe, die zum Weiterlesen einlädt.