Zwischen Barbourjacke und Smartvillage - wenn rechte Idylle zum Lifestyle wird

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kirakolumna Avatar

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Hannah Lühmanns Heimat hat mich gleich zu Beginn ein bisschen ratlos gemacht. Und das nicht nur wegen der Sprache – sondern weil das Thema eigentlich so dringend und in aller Munde ist. Die Tradwife-Szene, dieser Mix aus Retro-Hausfrauenästhetik, Instagram-Glamour und gefährlichem reaktionärem Weltbild, hat es bisher kaum in die deutsche Gegenwartsliteratur geschafft. Umso wichtiger, dass sich endlich jemand daran traut. Umso enttäuschender, wenn die Figuren dann trotzdem wie aus Schablonen geschnitten wirken.

Die Sätze am Anfang kommen nicht so recht ins Rollen, vieles wirkt generisch, fast wie ein Baukasten aus urbaner Entfremdung, müder Mutterschaft und Landfrust. Und mittendrin plötzlich die Barbourjacken-Frau. Dann das Lodenjacke-Kind. Und wieder ein Lodenjacke-Kind. Man merkt schnell, hier sollen Menschen durch Aussehen definiert werden – Karolin, die „perfekte“ Nachbarin mit dem Tradwife-Glow, wird gleich im ersten Auftritt über Look und Duft ins Klischee gehoben. Klar erkennt man den Typ sofort, aber es bleibt dabei auch wenig Raum für Überraschung. Es fehlt ein wenig das Dazwischen, das Widersprüchliche. Ich hoffe (und gehe davon aus) dies folgt im Verlauf des Buches.

Und trotzdem: Etwas funktioniert. Die Atmosphäre dieser Vorstadt-Neubausiedlung mit KI-Laternen, Bio-Sandkästen und latent rechter Grundstimmung ist unheimlich gut beobachtet. Janas Überforderung mit den Veränderungen durch Mutterschaft, ihr Neid, ihre Ambivalenz – das alles fühlt sich ehrlich an. Und es macht deutlich, wie nah einem völkische Ideologien plötzlich kommen können, wenn sie nur hübsch genug verpackt sind.

Ein Roman, der Fragen aufwirft, die man lieber nicht stellen will – aber sollte.