Der Schrecken kann manchmal schrecklich nah sein

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Jana und Noah ziehen mit ihren Kindern aufs Land, das neue Haus liegt zwar gerade noch so nah an der Stadt, dass sich das Pendeln lohnt, aber trotzdem weit genug entfernt, um neu anfangen zu müssen. Vor allem Jana tut sich schwer mit ihrer neuen Umgebung, sie ist schwanger mit dem dritten Kind, hat vor Kurzem ihren Job als Projektmanagerin gekündigt, ohne dies vorher mit Noah abzusprechen, und fühlt sich einsam. Entsprechend freut sie sich, als sie Karolin kennenlernt. Die hat zwar fünf Kinder, liebt aber ebenfalls Gedichte von Rilke und wirkt dazu sehr offen. Doch spätestens ein Blick auf ihren Instagram-Kanal verrät, dass sie eine sehr konservative Sicht auf die Welt und die Familie hat. Sie ist ein „Tradwife“ und lebt von der Inszenierung ihrer vermeintlichen Idylle. Jana fühlt sich trotz allem von Karolins Welt angezogen, hinterfragt noch nicht mal deren Nähe zur blauen Partei und ihre radikalen Ansichten zu Erziehung und Ehe, selbst wenn ihre Welt zunehmend Risse zeigt. Die Grundidee des Romans, die subtile Verführungskraft rechter Narrative aufzuzeigen, fand ich sehr spannend. Leider bleibt der Text aber sehr an der Oberfläche, Jana wirkt wie ein geschichtsloses Wesen ohne eigene Meinung und vor allem ohne jegliche Freund:innen oder tiefergehende Beziehungen. Selbst mit ihrem Mann Noah spricht sie kaum, da wundert es wenig, dass er sich irgendwann in einem Nebensatz von ihr trennt. Auch das führt nicht zu einer nennenswerten Gefühlsregung bei ihr, stattdessen steigert sie sich immer weiter in ihre Karolin-Obsession hinein. Ich habe den Roman nicht ungern gelesen, er lässt mich jedoch mit einem etwas frustrierten Gefühl zurück, denn wie gesagt, das Thema ist wichtig, aber hätte eine etwas vielschichtigere Umsetzung verdient.