Ein Traum von Heimat

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jackolino Avatar

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Jana zieht mit ihrer Familie von der Stadt aufs Land in ein eigenes Haus mit Garten und mehr Platz für die zwei, bald drei Kinder.

Zunächst einmal fühlt sie sich ziemlich verloren, ihr Mann Noah ist zwar Lehrer, scheint aber den ganzen Tag zu unterrichten und kommt meistens erst spät nach Hause. Die beiden Kinder gehen in die Kita, Jana ist durch die dritte Schwangerschaft aber oft sehr müde und fühlt sich der Situation nicht gewachsen.

Im Eiscafé lernt sie Karolin kennen und erfährt zu ihrem großen Erstaunen, dass diese gutaussehende, gepflegte Frau 5 Kinder hat, die sie zuhause betreut. Karolin präsentiert sich außerdem auf Instagram und Jana folgt ihr und ihren Reels bald täglich. Karolin inszeniert sich als Tradwife, sie propagiert alte Werte, kocht und backt gern und ist ganz für Mann und Kinder da. Dass sie damit auch Geld verdient, es also auch ein Erwerbsjob ist, das wird verschwiegen. Daneben, und ich denke das hat Jana von vornherein an ihr fasziniert, ist sie durchaus sehr belesen, vor allem Gedichte sind ihr Steckenpferd.

Karolin nimmt bald in Janas Gedanken mehr Raum ein als ihr Mann Noah. Man merkt die Entfremdung zwischen den beiden Eheleuten. Durch Karolin erhält sie Zugang zu weiteren jungen Müttern, die ähnlich traditionell unterwegs sind.

Jana bleibt über die ganze Strecke des Romans hinweg ziemlich blass, es scheint ihr gar nicht klar zu sein, wo ihre neuen Freundinnen politisch verortet sind bzw. welche Partei ihre konservative Haltung für sich ausnutzt. Sie sucht eigentlich in erster Linie Anschluss im Dorf und Gesprächspartner, damit sie nicht immer so einsam und allein ist. Umso besser, wenn die neuen Freundinnen auch selbst Kinder haben, so dass sogleich ein gemeinsames Thema gegeben ist. Janas Unsicherheit und der Wunsch, im Ort akzeptiert zu werden tragen dazu bei, dass sie den neuen Kreisen bedenkenlos und unkritisch gegenübertritt. Mir fiel allerdings auf, dass die Freundschaft untereinander oft nur geheuchelt war und über den anderen hergezogen wurde, sobald sich die Gelegenheit ergab. Und auch die Ehen der Freundinnen scheinen trotz aller Beteuerungen nicht so glücklich zu sein, wie sie nach außen scheinen sollen. Sowohl bei Karolin als auch bei Becci zeigen sich Risse in der Beziehung, die aber nicht weiter thematisiert werden.

Generell ist es die Entscheidung einer Familie, ob man seine Kinder in den ersten Jahren selbst begleiten will oder nicht. Heute gibt es glücklicherweise genügend Kita-Plätze, so dass auch denjenigen Müttern oder Vätern geholfen wird, die so schnell wie möglich wieder in ihren Job zurückkehren wollen. Beide Einstellungen oder Verhaltensweisen kann man akzeptieren und man muss sie nicht unbedingt direkt mit einer bestimmten politischen Richtung verknüpfen.

Problematisch wird das Ganze durch die bewusste Unterordnung der Frau. Hier spielen religiöse Gründe mit hinein und ich denke, die Autorin hat auch evangelikale Kreise im Sinn, die ein anderes Rollenbild predigen, als wir es heute gemeinhin kennen und schätzen.

Das Ende des Buches lässt mich etwas ratlos zurück. Ich habe es für mich so interpretiert, dass Jana bald Karolins Platz an der Seite von Klemens einnehmen wird, aber möglicherweise kann man es auch ganz anders sehen.