Erschreckend aktuell: Zwischen Land-Idylle, Tradwifes und Rechtsruck

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downey_jr Avatar

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Jana, zum dritten Mal (nicht wirklich geplant) schwanger, hat gerade ihren Job gekündigt, obwohl sie mit ihrem Mann gerade ein Haus auf dem Land gekauft hat. Gemeinsam mit ihren beiden kleinen Kindern merken sie schnell, dass hier nicht alles so idyllisch ist, wie es scheint. Die AfD ist hier in der Vorstadt sehr beliebt; die Geschlechterrollen sind stereotyp, die Frauen meist Hausfrauen, die Werte eher konservativ.

Allein die charismatische Karolin scheint interessant zu sein. Jana ist sofort fasziniert von Karolin, die mit ihrem Mann und fünf Kindern ein sehr idyllisches, traditionelles Leben als Hausfrau und Mutter führt. Karolin ist sehr beliebt, im Ort genauso wie auf Instagram, wo sie Kochrezepte und Alltägliches aus ihrem perfekt wirkenden Leben postet. Als „Tradwife“ ist sie eigentlich das krasse Gegenteil all dessen, was der sehr modern eingestellten Jana bisher wichtig war - doch Jana kann sich nicht gegen ihre steigende Begeisterung für Karolins Leben wehren ...

Vom Schreibstil her las sich das Buch flüssig, ich war sofort mittendrin im Geschehen.
Janas Figur war sehr authentisch dargestellt. Als Leser*in ist man ihren Gedanken und Erlebnissen sehr nah; man sieht alles nur aus ihrer Sicht. - Was nicht heißt, dass man mit ihrem Verhalten d'accord ist.
Karolins Charakter dagegen konnte ich nicht wirklich nahekommen; sowohl ihre unklare Vergangenheit (vor der Ehe mit Clemens) als auch ihr aktuelles Eheleben (warum war sie manchmal so komisch, was passierte da im Hintergrund?) ließen zu viele Fragen offen.

Die Autorion hat sehr überzeugend ein Szenario geschaffen, anhand dessen man sich erschreckend gut vorstellen kann, wie unsere Gesellschaft aussehen könnte, wenn rechte Kräfte an die Macht kommen.

Gegen Ende hin fand ich den Plot hier nicht mehr ganz so überzeugend und der Schluss hat mir leider überhaupt nicht gefallen.
Grundsätzlich mag ich offene Enden, hier blieb mir aber vieles zu kryptisch und ich bin damit nicht richtig zufrieden.

Dennoch ist „Heimat“ von Hannah Lühmann ein durchaus beachtenswerter Roman mit einem gesellschaftlich sehr aktuellen Thema; intensiv, beklemmend und mit viel Stoff zum Nachdenken.

Trotz einiger Schwächen am Ende vergebe ich hier gerne 4⭐️