Flache, unreflektierte Protagonistin - 3 1/2 Sterne

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Jana und ihr Partner Noah sind mit zwei Kindern frisch in ein Neubauviertel mit smart gesteuerten Funktionen gezogen, als Jana feststellt, dass sie ungeplant schwanger ist. Ihre Chefin in einem nicht näher beschriebenen Kreativberuf begeistert das nicht, da sie findet, sie und die Kollegin:nen hätten während Janas früherer Schwangerschaften bereits genug weibliche Solidarität gezeigt. Jana kündigt unüberlegt, so dass sie und Noah (der verbeamteter Gymnasiallehrer ist) nun mit zwei Kindern, zwei Kitaplätzen, einem Hauskauf und nur einem Einkommen zurechtkommen müssen.

Am neuen Wohnort fühlt Jana sich von ihren Nachbarn taxiert und im Übrigen durch zwei Kleinkinder und die Schwangerschaft erschöpft. Sie realisiert im Laufe der Handlung, dass sie bereits vor dem Umzug allein für die Kinder verantwortlich war; Noah lebt demnach mit einer Frau zusammen „die zwei Kinder hat“. Da sie außer losem Kontakt zu ihrer Mutter offenbar keine sozialen Beziehungen pflegt, wirkt ihr Interesse an der charismatischen Influencerin Karolin und ihrer kleinen Frauengruppe nun wie ein letzter Strohhalm, nachdem Jana greift. Karolin hat mit ihrem Mann fünf Kinder, lebt mietfrei im geerbten Haus und zeigt die Fassade eines Tradwifes, die in Alleinverdiener-Ehe Kinder betreut, Betreuungseinrichtungen ablehnt und ein rechtspopulistisches wie christlich orientiertes Weltbild pflegt. Karolins Freundinnen zeigen in ihren Villen einen vergleichbar gehobenen Lebensstil, bei ihnen bleibt unklar, wie er verdient wird.

Da die knapp 40-jährige Jana als Figur praktisch aus dem Hut gezogen wird und man als Leser:in über ihren Beruf, ihre Interessen und Einstellungen kaum etwas erfährt, wirkt sie wie allein dafür konstruiert, um ihren neuen Nachbarinnen eine Projektionsfläche zu bieten. Jana hat offenbar keine eigenen Standpunkte. Beim Scrollen durch Mommy-Content lässt sie sich einfach treiben, obwohl ihr klar ist, dass sie die ihr im Viertel vorgelebte Symbiose von Mutter und Kindern nicht ertragen wird. Während Noah im Beruf zunehmend desillusioniert wirkt und die Mütter um Karo den mangelhaften staatlichen Schutz vor Gewalttaten beklagen, muss Jana ihre Idealisierung von Karolin und deren Ehe infrage stellen.

Fazit
Die Plot-Idee, eine junge Mutter zu naiv in ein rechtspopulistisch eingestelltes Umfeld rutschen zu lassen, fand ich zunächst spannend, war jedoch zunehmend enttäuscht von der Reduzierung Janas auf Schwangerschaft und Mutterschaft, die ich bei einer knapp Vierzigjährigen so unglaubwürdig wie misogyn finde.