Mehr Bericht als Roman – warum mich dieser Roman nicht überzeugt hat
Danke an Vorablesen und Hanserblau für das Rezensionsexemplar – der Klappentext und die Leseprobe haben mich sofort neugierig gemacht. Hannah Lühmann, geboren 1987, studierte Philosophie in Berlin und Paris, war lange Kulturredakteurin bei Welt und Welt am Sonntag und lebt heute als freie Journalistin in Berlin. Mit "Heimat" legt sie ihren zweiten Roman vor – ein Buch, das große Themen unserer Gegenwart aufgreift: Rechtspopulismus, Familie, Geschlechterrollen und die Sehnsucht nach Zugehörigkeit.
Worum geht’s?
Jana zieht mit ihrem Mann Noah und den Kindern aus der Stadt aufs Land. Schnell merkt sie: Hier gilt eine andere Normalität – die AfD ist allgegenwärtig, Verschwörungsnarrative werden beim Dorffest neben Kuchenbuffets verhandelt. Besonders angezogen fühlt sich Jana von ihrer Nachbarin Karolin, die als „Tradwife“ Hausfrau und Mutter zur Lebensaufgabe erhebt und ihre Ideologie zwischen Instagram-Feed, Telegram-Gruppe und Lesekreis verbreitet. Während Jana immer stärker in Karolins Bann gerät, verliert sie zusehends den Halt in ihrer eigenen Familie.
Meine Meinung
Bisher kannte ich die Autorin nicht und das Buch ist das erste, das ich von ihr lese. Die Grundidee des Romans finde ich sehr stark: ein Blick auf Rechtspopulismus im Alltag, die Faszination für tradwife-Lebensmodelle, Mutterbilder zwischen Care-Arbeit und Instagram-Inszenierung. Der Einstieg hat mich auch sofort gefesselt & insgesamt hatte das Buch so eine Sogwirkung, dass ich es an einem Nachmittag durchgelesen habe.
Doch je weiter ich kam, desto mehr kippte meine Begeisterung. Für mich bleibt "Heimat" in weiten Teilen oberflächlich. Jana, die Hauptfigur, wirkt wie eine „weiße Leinwand“: Sie hat kaum Kontur, lässt sich treiben, will allen gefallen – gefestigte Ideale, wie im Klappentext angekündigt, konnte ich bei ihr keine Erkennen. Statt einer Figur mit Haltung begegnet man einer Protagonistin, die stark beeinflussbar ist, zwischen Rebellion gegen die eigene Mutter und dem Annehmen konservativer Muster hin- und herschwankt.
Viele Konflikte wirken angerissen, aber nicht durchdrungen. Noah, der plötzlich nach Neuseeland auswandern will. Seine skurrilen Treffen (er ist Lehrer) mit Schüler:innen bei ihm zu Hause (!). Die Ehe, die mehr Zweckgemeinschaft als Liebe ist, und dann einfach auseinanderfällt. Karolin, die Gewalt andeutet, während gleichzeitig unklar bleibt, wer der Täter ist. Dazu die Szene mit der plötzlich sterbenden Mitbewohnerin von Janas Mutter, das Auftauchen eines neuen Mannes, oder (ACHTUNG SPOILER) die offene Frage, ob Karolin sich das Leben nimmt. (SPOILER ENDE) Zudem wirkt die Verwendung des Wortes Heimat arg konstruiert.Aber vlt. ist das ein Kulturding. Ich jedenfalls rede, wenn ich mit meinem Partner über das Thema rede von "Zuhause" und sag nicht unbedingt "Das ist unsere Heimat" (kommt mind. 3x vor im Buch).
Auch die Themenfülle hat mich eher überfordert: Mutterschaft, AfD, Telegram-Gruppen, Mommy-Content auf Instagram, Au-pair-Kräfte, Drag-Shows, Homeschooling, Asylpolitik, rechte Kampfsportgruppen, Beziehungskrisen, dritte Schwangerschaft, „Heimat“ als Schlagwort – alles wird gestreift, aber nichts wirklich vertieft. Besonders kritisch sehe ich, dass es kein Vor- oder Nachwort gibt, das die im Roman aufgeworfenen Thesen einordnet. Aussagen über Mutterschaft, Kinderbetreuung oder gesellschaftliche Rollenbilder werden so im Raum stehen gelassen, als wären sie Fakten. Gerade wenn problematische oder antifeministische Narrative so klar formuliert werden („Kitakinder haben lebenslang ein höheres Stresslevel“), braucht es meiner Meinung nach unbedingt eine Kommentierung durch die Autorin. Ein Nachwort hätte die Chance geboten, die Intention klarzustellen und Missverständnissen vorzubeugen. Ohne diesen Rahmen bleibt man als Leserin allein mit vermeintlichen „Wahrheiten“, die in der falschen Lesart gefährlich werden können.
Fazit
"Heimat" hat ein starkes Setting und wichtige Themen, verschenkt aber viel Potenzial. Figuren bleiben blass, Konflikte oberflächlich, die Sprache unentschieden. Statt einer differenzierten Auseinandersetzung wirkt der Text wie ein Sammelsurium von Schlagworten, ohne klare Haltung. Am Ende war ich mehr frustriert als nachdenklich zurückgelassen.
Worum geht’s?
Jana zieht mit ihrem Mann Noah und den Kindern aus der Stadt aufs Land. Schnell merkt sie: Hier gilt eine andere Normalität – die AfD ist allgegenwärtig, Verschwörungsnarrative werden beim Dorffest neben Kuchenbuffets verhandelt. Besonders angezogen fühlt sich Jana von ihrer Nachbarin Karolin, die als „Tradwife“ Hausfrau und Mutter zur Lebensaufgabe erhebt und ihre Ideologie zwischen Instagram-Feed, Telegram-Gruppe und Lesekreis verbreitet. Während Jana immer stärker in Karolins Bann gerät, verliert sie zusehends den Halt in ihrer eigenen Familie.
Meine Meinung
Bisher kannte ich die Autorin nicht und das Buch ist das erste, das ich von ihr lese. Die Grundidee des Romans finde ich sehr stark: ein Blick auf Rechtspopulismus im Alltag, die Faszination für tradwife-Lebensmodelle, Mutterbilder zwischen Care-Arbeit und Instagram-Inszenierung. Der Einstieg hat mich auch sofort gefesselt & insgesamt hatte das Buch so eine Sogwirkung, dass ich es an einem Nachmittag durchgelesen habe.
Doch je weiter ich kam, desto mehr kippte meine Begeisterung. Für mich bleibt "Heimat" in weiten Teilen oberflächlich. Jana, die Hauptfigur, wirkt wie eine „weiße Leinwand“: Sie hat kaum Kontur, lässt sich treiben, will allen gefallen – gefestigte Ideale, wie im Klappentext angekündigt, konnte ich bei ihr keine Erkennen. Statt einer Figur mit Haltung begegnet man einer Protagonistin, die stark beeinflussbar ist, zwischen Rebellion gegen die eigene Mutter und dem Annehmen konservativer Muster hin- und herschwankt.
Viele Konflikte wirken angerissen, aber nicht durchdrungen. Noah, der plötzlich nach Neuseeland auswandern will. Seine skurrilen Treffen (er ist Lehrer) mit Schüler:innen bei ihm zu Hause (!). Die Ehe, die mehr Zweckgemeinschaft als Liebe ist, und dann einfach auseinanderfällt. Karolin, die Gewalt andeutet, während gleichzeitig unklar bleibt, wer der Täter ist. Dazu die Szene mit der plötzlich sterbenden Mitbewohnerin von Janas Mutter, das Auftauchen eines neuen Mannes, oder (ACHTUNG SPOILER) die offene Frage, ob Karolin sich das Leben nimmt. (SPOILER ENDE) Zudem wirkt die Verwendung des Wortes Heimat arg konstruiert.Aber vlt. ist das ein Kulturding. Ich jedenfalls rede, wenn ich mit meinem Partner über das Thema rede von "Zuhause" und sag nicht unbedingt "Das ist unsere Heimat" (kommt mind. 3x vor im Buch).
Auch die Themenfülle hat mich eher überfordert: Mutterschaft, AfD, Telegram-Gruppen, Mommy-Content auf Instagram, Au-pair-Kräfte, Drag-Shows, Homeschooling, Asylpolitik, rechte Kampfsportgruppen, Beziehungskrisen, dritte Schwangerschaft, „Heimat“ als Schlagwort – alles wird gestreift, aber nichts wirklich vertieft. Besonders kritisch sehe ich, dass es kein Vor- oder Nachwort gibt, das die im Roman aufgeworfenen Thesen einordnet. Aussagen über Mutterschaft, Kinderbetreuung oder gesellschaftliche Rollenbilder werden so im Raum stehen gelassen, als wären sie Fakten. Gerade wenn problematische oder antifeministische Narrative so klar formuliert werden („Kitakinder haben lebenslang ein höheres Stresslevel“), braucht es meiner Meinung nach unbedingt eine Kommentierung durch die Autorin. Ein Nachwort hätte die Chance geboten, die Intention klarzustellen und Missverständnissen vorzubeugen. Ohne diesen Rahmen bleibt man als Leserin allein mit vermeintlichen „Wahrheiten“, die in der falschen Lesart gefährlich werden können.
Fazit
"Heimat" hat ein starkes Setting und wichtige Themen, verschenkt aber viel Potenzial. Figuren bleiben blass, Konflikte oberflächlich, die Sprache unentschieden. Statt einer differenzierten Auseinandersetzung wirkt der Text wie ein Sammelsurium von Schlagworten, ohne klare Haltung. Am Ende war ich mehr frustriert als nachdenklich zurückgelassen.