Roman über die heutige Gesellschaft

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loreley Avatar

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Jana hat zwei kleine Kinder und zieht mit ihrem Mann aufs Land. Als sie mit dem dritten Kind schwanger ist, kündigt sie ihren Job, ohne sich mit ihrem Mann vorher abzusprechen. Die Kinder bringt sie ganztags in die Kita, trotzdem weiß sie nichts mit sich anzufangen. Alles ist ihr zu viel, gleichzeitig neidet sie ihrem Mann seine Berufstätigkeit.
Zu diesem Zeitpunkt lernt sie Karolin kennt und gerät mehr und mehr in ihren Bann. Der Lifestyle von Karolin beginnt ihr zu imponieren und sie findet Halt in den Werten, die Karo propagiert und in den sozialen Medien postet. Keine Kita sondern Familienzeit, selbstgemachtes Essen, backen mit den Kindern, Heimatliebe, der deutsche Wald, die Kirche...klingt nach sehr traditionellen Werten? Richtig, den Karo ist außerdem bei der AfD engagiert.
Trotzdem Jana hier Beständigkeit und Verankerung erfährt, sieht sie auch die kleinen Risse in der Fassade. Häusliche Gewalt, Unterordnung gegenüber dem Mann, Fremdgehen und den Schein wahren, wie bei der gemeinsamen Freundin Becca, die die Kinder von einem Aupair betreuen und sie heimlich Fernsehen lässt und dann doch die Kita in Anspruch nimmt, als sie die Chance hat als Taschendesignerin durchzustarten.

"Heimat" zeichnet ein Portrait einer zerrissenen Gesellschaft und dem Wunsch nach Tradition und Halt, ja vielleicht sogar Geborgenheit, der die Protagonisten auf die rechte Seite rutschen lässt.
Dass dabei der Ehemann auf der Strecke bleibt, der die Wandlung von Jana missbiligt und die Familie somit zerbricht, zeigt auf, dass das rechte Weltbild dann doch nicht der Weisheit letzter Schluss ist.
Am Ende entscheidet sich Jana jedoch selbst und ganz bewusst für diesen Lebensstil. Als Leserin kann ich nachvollziehen, warum sie dies tut. Vieles hat sich tatsächlich positiv bei der Protagonist verändert, z.B. der zugewandte und entspannte Umgang mit den Kindern und auch Angst spielt eine Rolle (z.B. vor Anschlägen und Attentaten). Dennoch verliert sie sich selbst. Die Berufstätigkeit gerät in den Hintergrund und sie bezieht künftig Bürgergeld. Lieber überlässt sie die Verantwortung über ihr Leben anderen (dem Staat), als eigenverantwortlich für sich zu sorgen.
Der Roman erzählt behutsam und subtil und ohne Zeigefinger oder Vorwürfe. Ich finde, hier ist ein sehr gelungenes Portrait der deutschen Gesellschaft, der Rolle als Mutter und der Verlorenheit und Zerrissenheit des Individuums gelungen. Der Wunsch der Protagonist nach Zugehörigkeit und Festigkeit in einer Welt, die unsicher ist und Angst macht, ist nachvollziehbar. Ob ihr gewählter Weg der richtige ist?
Der Roman "Heimat" ist für mich ein klarer Anwärter für den Deutschen Buchpreis!