Schwierig

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majca_ Avatar

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"Sie wusste, was bei den Wahlen auf dem Spiel stehen würde, aber sie hätte keine Idee gehabt, an welcher Stelle sie anfangen sollte, etwas dagegen zu tun. Sie nahm ihr Smartphone zur Hand und überlegte kurz, ob sie wenigstens die Nachrichten lesen sollte, doch schon hatte Instagram sie in seinen Sog gezogen."


2.5 ★
Es ist selten, dass mir die Bewertung eines Romans so schwer fällt wie bei diesem. Ich habe das Buch mit Interesse gelesen, aber schnell nicht mehr mit Begeisterung.

Viel meiner diffusen Unzufriedenheit mit dem Roman rührt von der Darstellung Janas her. Anders als im Klappentext angedeutet ist sie keine Frau mit gefestigten Überzeugungen, die langsam ins Wanken gerät. Im Gegenteil: sie ist von Anfang an passiv, fremdbestimmt, apathisch. In der gesamten Geschichte gibt es keinen echten Gedanken, der erkennbar aus ihr selbst zu kommen scheint. Fast alles was sie äußert sind Reaktionen auf äußere Impulse: Irritation, Müdigkeit, Überforderung.
Zwar gibt es Konflikte, doch sie werden nicht spürbar gemacht. Jana‘s Entwicklung verläuft ohne inneren Widerstand, ohne Reibung, ohne erkennbare Auseinandersetzung mit sich selbst oder den Ideologien, denen sie sich annähert. Sie beobachtet und ihre Gedankengänge bleiben uns fremd.

Diese Leerstelle ist vermutlich bewusst so angelegt. Jana fungiert als ein exemplarisches Gefäß, das zeigt wie ideologische Narrativen dort andocken, wo emotionale Lücken oder gesellschaftliche Überforderung klaffen. Es verdeutlicht, dass es keine persönliche, charakterlich basierte und motivierte Entwicklung ist, sondern ein psychologischer Sog – eine Sehnsucht nach Halt in einer als chaotisch empfunden Welt. Für den Menschen in ähnlich emotionaler Überforderung empfänglicher sind.
Stilistisch ist dies eine interessante, clevere Entscheidung. Als Leserin empfand ich es als ausgesprochen ermüdend.

Die Sprache ist unaufgeregt und beobachtend. Vieles bleibt angedeutet und nicht auserzählt. Die Themenverflechtung – etwa Radikalisierung über Gemeinschaft und Ästhetik, Social Media als ideologische Schnittstelle, Familie als politische Zelle – ist klug gemacht und treffen den Zeitgeist.

Der Roman ist kohärent, thematisch schlüssig und stilistisch konsequent. Es ist eine ambitionierte und durchaus nuancierte Geschichte, die für mich jedoch durch ein Übermaß an Ambiguität und Ambivalenz, und der fast vollständigen Abwesenheit von Reibung, an Eindringlichkeit und Leseintensität verloren hat.

Vielen Dank an vorablesen und Hanser Verlag für das Rezensionsexemplar. Meine Meinung wurde davon nicht beeinflusst.