Unkritisch und ohne Tiefgang

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smolsin Avatar

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Der Klappentext von Hannah Lühmanns zweiten Roman »Heimat« hat mich sofort neugierig gemacht. Ein Buch, welches verspricht, sich mit gegenwärtigen Themen unserer Gesellschaft wie Rechtspopulismus, Social Media, Mutterschaft, Geschlechterrollen und die Sehnsucht nach Zugehörigkeit auseinanderzusetzen.

Jana - die gerade mit ihrem dritten Kind schwanger ist - und ihr Mann Noah kehren dem Stadtleben den Rücken und ziehen mit ihren Kindern aufs Land. Hier findet Jana schnell Anschluss bei Karolin und ihren Freundinnen. Jana ist fasziniert von der Frau, die ihr Leben als Hausfrau und Mutter von fünf Kindern zur Berufung gemacht hat und als Influencerin ihr Leben als Tradwife auf Instagram zur Schau stellt.

Die Figuren wirken leider viel zu blass und konturlos, eher wie Statisten. Insbesondere Jana als Hauptfigur ist so für die Leser:innen eine schwer greifbare Protagonistin. Anfangs noch ansatzweise skeptisch übernimmt Jana viel zu schnell die konservativen Ansichten und rechtspolitischen Ideale von Karolin, ohne diese kritisch zu hinterfragen.
Im Klappentext angekündigt wurde Jana als eine Protagonistin mit gefestigten (feministischen) Idealen und Prinzipien. Unter dieser Voraussetzung hätte es eine interessante Geschichte werden können, jedoch entpuppte Jana sich als eine Art weiße Leinwand: hochgradig beeinflussbar und ohne Rückgrat.

Auf nur knapp 170 Seiten habe ich keine hochkomplexe Auseinandersetzung mit solch prekären Thematiken erwartet aber etwas mehr Tiefgang und einen kritischeren Blick auf diese hatte ich mir dennoch erhofft.
Die Lebensweise von Karolin wird stark glorifiziert und zu keiner Zeit kritisch hinterfragt. Themen wie Impfskepsis oder häusliche Gewalt werden angerissen aber nicht tiefergehend behandelt.

Die Idee des Romans hatte viel Potential, was jedoch daraus gemacht wurde, kann ich guten Gewissens nicht mit mehr als 2 Sternen bewerten. Anstelle einer differenzierten Auseinandersetzung mit den Themen wurden hier einfach ein paar Punkte aufgezählt und dann nicht weiter verfolgt. Am Ende fragt man sich, was der Roman eigentlich aussagen soll und lässt mehr Fragen offen, als er beantwortet.