Der Forrest Gump der DDR

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clara_fall Avatar

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Der Brief einer unbekannten Frau bringt Heinz Labensky nach vielen Jahren endlich wieder vor die Tür seines Feierabendheims. Seine Umwelt überfordert ihn. Trotzdem nimmt er den nächstbesten Flixbus, um sich auf den Weg nach Rostock zu machen und diese Frau zu treffen. Hintergrund ist seine Jugendliebe Rita, die er vor vielen Jahren zurücklassen musste und seitdem sind sie sich nie wieder begegnet. Eine große Aufgabe für einen fast 80jährigen Mann, dessen großer Held Gojko Mitic ist und ihm noch so manche Lebensweisheit in Erinnerung rufen wird ...

Das Eintauchen in das Buch war für mich mit viel Lachen verbunden. Heinz wächst in den Nachkriegsjahren im Osten Deutschlands auf. Kindheit und Jugend sind von russisch geprägter Erziehung und kommunistischen Normen geprägt. Immer der ewige Außenseiter ist er bereit für Rita, als sie in seine Klasse kommt - ebenfalls anders, aber voller wilder Ideen im Kopf. Gern prügelt er sich für Rita, wenn sie wieder einmal von Halbstarken gehänselt wird. Doch schon bald bekommt das männliche Geschlecht eine andere Anziehungskraft für Rita und Heinz hat das Nachsehen. Schon bald zieht es Rita in die weite Welt, während sich Heinz mit primitiver Arbeit für förderungsunfähige Personen zufrieden gibt. Der Leser steckt mitten in den 50ern der DDR. Wer ebenfalls dort aufgewachsen ist, liest alles mit einem Schmunzeln, weil er alles wiedererkennt. Für Leser aus den alten Bundesländern mag so manches erfunden klingen und es als Hingespinste abtun. Für mich war es wie ein kurzer Abriss der DDR-Geschichte bis zur Wende, denn Heinz erhält bei der Fahrt mit dem Flixbus durch das gespannte Zuhören seiner Mitfahrer ausreichend Gelegenheit, über seine Erlebnisse zu sprechen. Von ihnen erhält er teilweise Unterstützung bei der Erklärung mancher historischer Ereignisse und erst jetzt versteht er so manches richtig. Wie Forrest Gump war er oftmals unwissentlich Hauptakteur in entscheidenden Begebenheiten. In Rostock angekommen, veranlasst ihn das zu einem längst fälligen Fazit. Wieder ist es Gojko Mitic, der ihm dazu verhilft.

Gern habe ich mich auf die Reise durch bewegende DDR-Geschichte gemacht. Manches Ereignis hatte unnötige Längen, vielleicht nötig für den westdeutschen Leser. Auf jeden Fall wurde auf sehr humorvolle und realistische Art wiedergegeben, was den Alltag des DDR-Bürgers ausmachte. Mag heute für Jüngere sehr unglaubwürdig klingen, aber genauso war es. Da sich hier Herr Tsokos mit seiner Frau beim Schreiben verbündet hat, hatte ich im Verlauf der Geschichte gerichtsmedizinische Einflüsse erhofft. Spätestens dann, als es um die Aufklärung des Verschwindens von Rita ging, aber leider bleibt dieses Gebiet völlig unberührt. Eine Mischung aus Forrest Gump und David Hunter wäre die Kirsche auf der Sahne gewesen. Das Cover spiegelt gut die Atmospäre des Buches wieder. Insgesamt ein sehr spezielles Buch, das seine Liebhaber noch finden muss.