Unterhaltsam, aber gegen Ende etwas langatmig

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cynthiam Avatar

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Ein Roman von Tsokos und Tsokos- da musste ich einfach neugierig werden. Bin großer Fan der Justiz- und Pathologie-Thriller von Michael Tsokos und war ganz gespannt, wie er sich im Roman-Genre schlägt. In letzter Zeit wechseln Autoren ja gerne mal das Genre und während mir das bei einigen von Tsokos Kollegen nicht ganz so gut gefällt, mochte ich dieses Buch an sich ganz gern. Es hat den wehmütigen Ton verpasster Chancen, zeigt aber auch sehr eindringlich auf, wie in der DDR mit Leuten umgegangen wurde, die man abgestempelt hat. Gegen Ende hätte es etwas knackiger sein können.
 
Zum Inhalt: Heinz Labensky ist in Aufruhr. Am Vortag hat er einen ominösen Brief bekommen, der sein behagliches Leben im Seniorenheim auf den Kopf stellt. Und schon sitzt er in einem Bus nach Warnemünde, auf den Spuren seiner eigenen Vergangenheit und seiner verlorenen Liebe Rita.
 
Vielleicht vorab, was mir schon nach wenigen Seiten quasi ins Gesicht gesprungen ist: das Buch hat mich sehr an den „Hundertjährigen“ erinnert. Ja, Setting und Prämisse sind eine andere, aber die Art, wie auch Heinz unwissentlich mit wichtigen Personen der Geschichte interagiert und maßgeblich an „Schlüsselmomenten“ beteiligt ist, hat mich doch sehr an das Buch von Jonas Jonasson erinnert. Ändert für mich nichts daran, dass ich mich teils köstlich über Heinzis Naivität amüsiert habe, wollte ich aber nicht unerwähnt lassen.
 
Die Schilderungen über das Leben innerhalb der DDR haben schon einen nostalgischen Touch und viele der erwähnten Ostbegriffe habe ich aus den Erzählungen meiner Eltern wiedererkannt. Ich mochte auch den Bezug der Handlung zu historischen Ereignissen und wie mühelos es Tsokos gelingt, den Spagat zwischen Fakten und Fiktion zu schlagen. Die Figur des Heinz Labensky wird sehr mühelos in das zeitpolitische Geschehen eingebettet, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart in seinen Interaktionen während der Bus fahrt, als ihm gesagt wird, er wäre einfach nicht „woke“- herrlich.
 
Die Figur Heinz tat mir über weite Strecken einfach nur leid, er hatte echt kein leichtes Leben, ist ziemlich schnell aus dem System gefallen und hat sich so durchgeschlagen- und das mit einer Eloquenz, die seinesgleichen sucht. Trotzdem zeigt seine Lebensgeschichte aus gut die Schattenseiten des Systems der DDR auf, was der Geschichte neben all dem Witz und ihrer Skurrilität auch einen bedrückenden Unterton gibt.
 
Mir hat dieses Buch gut gefallen, auch wenn es zwischendurch ein paar Längen hatte und der Verlauf recht vorhersehbar ist. Aber es ist trotz allem eine unterhaltsame Geschichte, die durch ihren „Ost-Flair“ einen besonderen Touch bekommt.