Überzeugendes Fantasydebüt

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marcello Avatar

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2025 ist wohl das Jahr, in dem ich seit Ewigkeiten wohl so viel Fantasy wie nie gelesen habe. Ich habe aber auch einige Reihen entdeckt, bei denen ich sehr gut mitkomme und mich für meine Verhältnisse sehr gut eindenken kann. Dank fehlender Vorstellungskraft ist kompliziertes World Building schon herausfordernd. Aber je mehr man liest, desto mehr leichter kommt man generell zurecht. Bei „Heir of Illusion“ war es nun einfach das Cover, das mich angezogen hat und so habe ich einfach mal reingelesen.

Es ist der Durchbruch von Madeline Taylor, der zunächst per Self-Publishing erschienen ist, ehe dann international immer mehr Verlage zugeschlagen haben. Ich muss auch sagen, dass man es der Autorin nicht anmerkt, dass sie zumindest öffentlich noch sehr unerfahren ist. Stattdessen bringt sie genau das, was ich oft bei Fantasy beobachte: eine komplizierte Einstiegsszene, die ich erstmal richtig sortieren und verstehen musste. Ich habe schon etwas Bauchgrummeln bekommen, weil ich befürchtete, gleich am Anfang den Anschluss zu verlieren. Letztlich hat sich das aber überhaupt nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Im Nachhinein ist es fast lächerlich, was ich für Sorgen hatte, denn ich war irgendwann einfach in der Geschichte drin und dann fügte sich auch alles zusammen. Es hat für mich letztlich auch den Grundton der Reihe gut erklärt. Mit Ivy als Assassine ist schon klar, dass es düster ist, aber die Geschichte ist allgemein sehr ernst, brutal und definitiv nicht cosy. Dementsprechend passt die Anfangsszene dann auch, denn man stößt sie gleich an der Inszenierung, aber kann dann auch schnell entscheiden, ob es etwas für einen ist.

Ich fand Ivy als Protagonistin sehr interessant. Wir haben immer mal Flashbacks, die klar machen, dass es einiges aus ihrer Vergangenheit gibt, was wir erst noch erfahren müssen. Aber es ist klar, dass sie durch das Halsband eine Gefangene ist, die dennoch alles ausreizt, um ihrer eigenen Moral nachgehen zu können. Dementsprechend ist sie sehr mutig. Ihre Fähigkeiten geben ihr natürlich auch gewisse Freiheiten und dennoch ist sie in ständiger Gefahr. Allgemein ist der Fantasy-Anteil nicht extrem ausgeprägt, zumal es auf allen Inseln (auf denen verschiedene Fähigkeiten dominieren) genug Menschen gibt. Aber die High Fae sind jetzt nicht so deutlich von anderen abgesetzt, was das Verständnis auch nicht kompliziert gemacht hat. Wir lernen auch relativ wenig von den anderen Inseln; hier könnte ich mir vorstellen, dass es auch für die Folgebände aufgespart wird. Mit dem Cliffhanger wird das sogar sehr wahrscheinlich. So verharren wir auf der Insel der Illusion und die Welt ist da relativ klein gedacht, aber das hat nichts von der Faszination weggenommen.

Denn mich hat „Heir of Illusion“ vor allem damit überzeugen können, dass die Mischung aus Action, ruhigeren, nachdenklichen Momenten, und dem Vorantreiben der Liebesgeschichte stimmte. Für mich sind einige Bände ähnlicher Reihen zuletzt bitter aufgestoßen, wenn man den Eindruck bekommen hat, dass es nur darum geht, wie zwei Figuren umeinander herumschwänzeln und alles um einander herum vergessen. Das ist mir zu wenig, dafür lese ich Liebesromane, aber keine Fantasy. Dementsprechend ist das hier gut gewählt. Es ist eher eine Slow Burn-Entwicklung zwischen Ivy und Thorne, die genug Raum gibt, dass sich beide Figuren auf Augenhöhe begegnen können. Thorne ist durch seine Fähigkeiten auf eine Art überlegen, aber sie kann sich dennoch als erzwungene Missionspartnerin beweisen und sich so seinen Respekt verdienen. Denn das ist auch der Unterschied zu Baylor als König der Insel, der zwar auch um ihre Fähigkeiten weiß, diese sich aber nur zunutze machen will. So wird ein gutes Gegengewicht gefunden.

Ivys Vergangenheit ist es dann vor allem, durch die wir die ruhigeren Momente bekommen. Es ist eine herzzerreißende Geschichte, die mit jedem Puzzleteil mehr Nähe zu ihrer Figur erzeugt. Es ist auch gut, dass Thorne an diesen Momenten teilhaben kann und sich selbst öffnet. Wir haben seine Perspektive nicht, deswegen erfahren wir zu ihm deutlich weniger, aber es gibt einschneidende, wichtige Momente, durch die wir ihn kennenlernen. Aber seine Rolle wird hoffentlich in Band 2 noch mehr Gewichtung bekommen. Bei den spannenden, actiongeladenen Szenen muss ich dann ein wenig Kritik anbringen. Manchmal wurde nicht ganz klar, was jeweils das Handlungsziel war. Gerade die erste gemeinsame Suche von Ivy und Thorne war etwas seltsam. Sie war spannend erzählt, ich bin nicht abgeschweift, aber ich hatte viele Fragezeichen. Danach hatte ich dann öfters mal das Gefühl, dass der Antrieb nicht immer konsequent verfolgt wurde. Stattdessen ist trotzdem Spannendes passiert, aber das waren Stellen, an denen habe ich eingehakt. Ich glaube auch, dass es einige logische Lücken gab, aber hier lasse ich die Unerfahrenheit von Taylor gerne gelten. Zumal wir umgekehrt einige gute Drehungen und Wendungen bekommen. Gerade mit dem Cliffhanger wird auch klar, dass es in Band 2 eigentlich erst richtig losgeht und so muss man auch erstmal die erste Zielgerade treffen.

Fazit: „Heir of Illusion“ hat zwar eine komplexe Szene zum Einstieg, aber danach war ich schnell am Haken. Ich mochte die Mischung aus allen Elementen, gerade weil die Liebesgeschichte nicht zu dominant wurde. Es gab zwar manchmal gewisse Lücken und unlogische Zwischenschritte, aber es hat mich im Lesefluss nicht gestört. Ich wurde immer wieder eingefangen und gerade das Ende ist richtig stark und macht Lust auf mehr.