Spannender Roman über Kinderwunsch und gesellschaftlichen Druck

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In „Hello Baby“ beschreibt Kim Eui-kyung die Gedanken und Gefühle von mehreren Frauen, die sich alle in medizinischer Behandlung für ihr erstes Wunschkind befinden und sich über ein Kinderwunschforum angefreundet haben.
Alle Frauen sind nach Fruchtbarkeitsmaßstäben schon etwas älter und einige versuchen verzweifelt schon seit Jahren mit Hilfe von IVF schwanger zu werden.
Kim Eui-kyung erzählt in ihrem dritten Roman von dem gesellschaftlichen Druck, dem die Frauen ausgesetzt sind, dem Druck ihrem Mann, ihren Eltern und Schwiegereltern endlich ein Kind zu gebären, am besten natürlich einen Sohn.

Südkorea hat mit 0,78 Geburten pro Frau eine extrem niedrige Geburtenrate, zum Teil aufgrund hoher Immobilienpreise, langer Arbeitszeiten, wirtschaftlicher Unsicherheit und Diskriminierung von Müttern im Arbeitsmarkt.
Auch Kim Eui-kyung thematisiert und kritisiert in ihrem Roman das extrem sexistische und kapitalistische Umfeld, unter dem ihre Figuren leiden.

Und so verstärken sich in ihrer Geschichte der innere und äußere Druck auf die Frauen, ein Kind zu bekommen, und lässt sie große Opfer bringen und Leiden erdulden.


“Und immer kam ihr der Gedanke, dass auch sie möglicherweise so lange auf ein Baby warten müsste, bis sie selbst zu Stein erstarrt wäre - dass sich, ausgehend von der Einstichstelle im Gesäß, die steinerne Injektion in ihrem ganzen Körper ausbreiten könnte.”

Im Nachwort der Autorin lese ich, dass sie einige der Erfahrungen mit ihren Figuren teilt und daraus der Roman entstanden ist.

Mir hat der Roman super gut gefallen, auch wenn er vielleicht nicht die emotionale Tiefe von „Hunger“ erreicht. Und das ist völlig in Ordnung, ich muss mich auch nicht immer in den emotionalen Abgrund stürzen.
Dafür liest sich „Hello Baby“ durch die verschiedenen Perspektiven sehr abwechslungsreich und spannend. Es gibt auch ein kleineres Rätsel zu lösen, nämlich als die bereits 46-jährige Jeonghyo überraschend im Kinderwunschforum die Geburt ihres Babys verkündet, obwohl sie eigentlich mit der Behandlung aufgehört hatte.
Die Auflösung liegt allerdings (für mich) auf der Hand und wird auch relativ schnell von der Autorin gedroppt. Es geht ihr vielmehr um die emotionalen Konsequenzen für die Freundinnen, deren Kinderwunsch nach wie vor unerfüllt ist

Wenn du - so wie ich - gerne gesellschaftskritische und feministische Unterhaltung aus Südkorea liest, kommst du mit diesem Roman voll auf deine Kosten. Ich empfehle ihn gerne weiter!