Vom gesellschaftlichen Zwang, Mutter werden zu wollen ..

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
bellis-perennis Avatar

Von

Kim Eui-kyung erzählt in diesem Buch die Geschichte von sechs Frauen, die sich in einer Fruchtbarkeitsklinik in Seoul begegnen. Allen ist gemeinsam, dass sie über 35 Jahre alt sind, von der Gesellschaft und der Familie dazu gedrängt werden Mutter zu werden und auf natürlichem Weg nicht schwanger werden können. Also muss die in Südkorea hoch entwickelte IVF-Medizin helfend eingreifen.

Diese sechs Frauen sind Teil eines Chat-Gruppe, über die sie sich regelmäßig und ausgiebig austauschen. Als dann eine von ihnen nach längerem Schweigen plötzlich die Geburt ihres Babys verkündet, und nahezu gleichzeitig in einem Krankenhaus ein Neugeborenes verschwindet, schiebt sich der unerfüllte Kinderwunsch von Polizistin Jiun Han in den Hintergrund und die Ermittlerin tritt wieder in den Vordergrund.

Meine Meinung:

Südkorea ist für die meisten von uns ein Land, über das wenig bekannt ist. Mir geht es da ähnlich. Allerdings habe ich vor kurzem eine Statistik über weltweite Fertilitätsraten und Geburten gelesen. Da ist mir aufgefallen, dass Südkorea wie viel andere Industriestaaten ein Problem mit zu geringem Nachwuchs hat. Es scheint, als wäre der Widerspruch hier national Anstrengungen die Anzahl der Geburt zu steigern und dort wenig kinderfreundliche Arbeitsbedingungen der Eltern, kaum zu überbrücken. Einerseits gibt es Urlaubstage für die schmerzhafte Prozedur der IVF, andererseits sind Mütter in den Firmen nicht gerne gesehen. Dieser Spagat wird in diesem Buch recht gut geschildert.

Der Druck, den die Frauen seitens ihren Familien ausgesetzt sind, ist ernorm. Die alten patriarchalischen Strukturen sind nach wie vor vorhanden, auch wenn es scheint, dass die Schwiegermütter die treibenden Kräfte sind. Ich kenne mich ja mit dem Sozialsystem in Südkorea nicht aus, aber es klingt, als ob die Care-Arbeit für ältere Verwandte nach wie vor bei Töchtern und Schwiegertöchtern liegt. Was wieder heißt, möglichst viele dieser Gratis-Pflegerin in die Welt zu setzen. Ein Teufelskreis aus dem man schwer entfliehen kann.

Gut geschildert, auch wenn die Autorin eher sachlich bleibt, sind die Hoffnungen und Enttäuschungen der Frauen und deren Erfahrungen in den Fruchtbarkeitskliniken sowie die schmerzhaften Prozeduren. Auch die Rolle der Ehemänner wird beleuchtet, die erwarten, Väter zu werden, aber wenig dazu beitragen können und wollen. Die Einstellung, an einer ungewollten Kinderlosigkeit ist immer die Frau schuld, ist weit verbreitet.

Interessant zu lesen ist, dass kaum eine der Frauen die Mechanismen, die hinter der staatlich geförderten (und geforderten) Fruchtbarkeit hinterfragen. Sie nehmen die hohen Kosten und die gesundheitlichen Risiken auf Grund der gesellschaftlichen Verpflichtungen einfach hin. Nur hier und da, regt sich so etwas wie ein klein wenig Widerstand und der Gedanke, dass unter dem Deckmantel, Frauen zu Kindern zu verhelfen, für IVF-Spezialisten eine Menge Geld zu verdienen ist.

Fazit:

Ein interessantes Buch über den Zwang, unbedingt Mutter werden zu wollen oder zu müssen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.