Du bist nicht allein

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
nocheinestefanie Avatar

Von

In Andrea Heinisch’s Roman „Henriette lächelt“ lernen wir eine Frau mittleren Alters kennen, die extrem übergewichtig ist und kaum mehr am Leben außerhalb ihrer Wohnung teilnimmt.
Von ihrem Fenster aus beobachtet sie die Mitbewohner im Mietshaus, lauscht an ihrer Tür oder was über und unter ihr so vorgeht. Henriettes Einsamkeit ist zu Beginn des Buches sehr präsent, auch wenn immer wieder ihre Mutter auftaucht, die direkt über ihr wohnt. Sie ist es auch, die der Meinung ist, alles im Leben ihrer Tochter regeln zu müssen, denn das Kind ist ja total unselbstständig, wie könnte es denn auch, bei dem Gewicht.
Die Mutter ist genau das Gegenteil ihrer Tochter: sportlich, reiselustig, schlank, sexuell aktiv und von Freundinnen umgeben, denen sie gerne ihr „Leid“ mit dieser Tochter klagt, die so gar nicht das geworden ist, was sie immer wollte. Dabei hätte sie ihr doch alles ermöglicht. So zumindest der Grundtenor.

Was niemand weiß: Henriette hat zwei Mägen und der eine davon ist immer leer. Leer vor Sehnsucht, vor Scham, vor unterdrückter Wut. Dadurch hat sie immer Hunger. Ein Hunger, der sich mit Essen nicht stillen lässt. Dass hat sie zwar erkannt, doch oft ist sie gefangen in sich selbst und bestellt dann beim Lieferservice, Expresslieferung natürlich.

Der erste Teil kam mir phasenweise recht öde und depressiv vor. Geprägt von kurzen Sätzen und Wiederholungen musste ich mich etwas disziplinieren beim Lesen dabei zu bleiben. Doch plötzlich veränderte sich etwas. Menschen, die hinschauen, helfen, Mut machen und einfach da sind, treten ins Leben der Protagonistin. Sie vermitteln dieser jungen Frau ein Gefühl von „gebraucht werden“ und stückweise nimmt nun auch die Erzählung an Fahrt auf, erklärt mehr, bedient sich neuer Wörter.
Henriette traut sich wieder etwas zu, wagt Träume oder auch mal wütend zu sein, denn dafür gibt es einen schrecklichen Grund, der bisher tief verborgen in ihr zu liegen schien. Im zweiten Magen etwa.

Dass Henriette trotzdem lächelt macht Mut und zeigt ihre ungeheure Kraft. Die Margarithen blühen nun zaghaft in ihr, um sie herum und auch auf dem wundervoll passenden Cover dieses Buches.

Klare Leseempfehlung von mir -