Zartes Schwergewicht

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throughmistymarches Avatar

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„Henriette lächelt“ war ganz anders, als ich es erwartet hätte. Die Protagonistin Henriette wiegt 190 Kilo – (fast) alles in ihrem Leben dreht sich um ihr Gewicht. Ihre Geschichte ist dennoch eine sehr zarte; zumeist zumindest. Zaghaft und zart wird beschrieben, wie sie zu sich findet und gleichzeitig den Weg aus der Einsamkeit. Schwerwiegender als ihr Körpergewicht sind Andeutungen über Gewalterfahrungen, die sie machen musste: auf ganz unterschiedliche Art erfuhr sie Gewalt durch die Eltern und tut sich gleichzeitig mit dem Verlust der beiden schwer; durch einen der vielen Liebhaber der Mutter wurde ihr sexuelle Gewalt angetan und gleichzeitig überließ er ihr einen ihrer größten Schätze – ihr Klavier.
Der Schreibstil, den ich wohl am ehesten mit stream of consciousness vergleichen würde, eignet sich hervorragend für diesen Roman, da sich Henriettes Leben hauptsächlich im Inneren abspielt: im Inneren ihrer Wohnung (dem Lockdown/Homeoffice sei Dank), im Inneren ihres Körpers, in ihren Gedanken. Je mehr sie sich öffnet, desto weniger Raum nehmen all diese Dinge ein.
Das Ende war mir ein bisschen zu abrupt, ein bisschen zu offen.