Drei Frauen - drei Leben

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mammutkeks Avatar

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Eigentlich scheint an der Konstellation aus Großmutter, Mutter und Tochter nichts Besonderes zu sein. Nun gut, Mutter und Tochter haben sich nicht viel zu sagen, schreiben sich seit einigen Jahren nur nichtssagende Postkarten zum Geburtstag und zu Weihnachten. Die Großmutter ist vor einigen Jahren gestorben - das letzte Mal, dass sich Mutter (Lilli Sternberg) und Tochter (Maja Sternberg) gesehen und gesprochen haben. Nun klingelt plötzlich das Telefon bei Maja, und die Mutter will ihrer Tochter unbedingt etwas mitteilen, allerdings nur persönlich. Als Maja dann in Wien ankommt, ist die Mutter verstorben - angeblich ein Selbstmord.

Und genau diese Diagnose der Polizei bringt die Geschichte um Charlotte, Lilli und Maja ins Rollen. Denn Maja entdeckt auf dem Foto, das augenscheinlich ihre Großmutter mit der neugeborenen Lilli zeigt, keinerlei Ähnlichkeit zwischen dieser und dem abgebildeten Baby. Statt blond und blauäugig ist es dunkelhaarig und braunäugig. Maja begibt sich auf eine - manchmal etwas eigenartige - Spurensuche. Und landet im Jahr 1944 in einem der deutschen Lebensborn-Heime, in dem ihre Großmutter ihr Baby zur Welt gebracht hat.

In einem sehr dicht gewebten Roman beschreibt Anja Jonuleit die Geschichte der drei Frauen auf verschiedenen Zeit- und Informationsebenen. Zwar erfährt Maja früh davon, dass es ein Tagebuch der Großmutter gibt, kann es aber nicht lesen, da es versteckt ist. Die LeserInnen hingegen bekommen bereits von Anfang an Einblick in das Tagebuch - was einen gewissen Wissensvorsprung ergibt, allerdings nichts von der eigentlichen Geschichte vorwegnimmt. Die Tagebucheintragungen werden von Mal zu Mal deutlicher und ausführlicher - gleichzeitig gelingt es Maja in der Jetztzeit entsprechende Suchergebnisse vorzulegen.

Sowohl stilistisch als auch von der Umsetzung des Themas ist "Herbstvergessene" sehr gelungen. Auch das Cover passt sich nahtlos an: Das Bild der glücklichen Mutter mit dem Baby auf dem Arm - vor einer Waldlandschaft. Die krimieske Schlussphase hätte für mich nicht sein müssen. Genau wie die manchmal etwas sprunghafte Erinnerung von Maja, die ihre nächsten Handlungsschritte beeinflussen.

Insgesamt ein Roman mit viel Tiefgang über die noch gar nicht so lang vergangene Vergangenheit, die eben auch noch immer ihre "Schatten" auf das Heute wirft. Und auf diejenigen, die von der "Gnade der späten Geburt" reden, aber sehr wohl auch durch ihre Vorfahren verflochten sind in die Unmenschlichkeiten des Nationalsozialismus.