Familiengeheimnisse

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
kimvi Avatar

Von

Der Kontakt zwischen Maja Sternberg und ihrer Mutter Lilli beschränkt sich seit Jahren auf den Austausch von Geburtstags- und Weihnachtsgrüßen. Deshalb ist Maja ziemlich überrascht einen Telefonanruf der Mutter zu erhalten. Lilli scheint etwas Wichtiges auf dem Herzen zu haben, das sie auf keinen Fall am Telefon besprechen möchte. Sie lädt Maja deshalb zu sich nach Wien ein. Doch zu einer Aussprache zwischen den beiden kommt es nicht mehr, denn als Maja zum verabredeten Termin an der Wohnung  eintrifft, ist die Mutter bereits tot. Die Polizei geht von einem Selbstmord aus. Maja hat große Zweifel am Freitod der Mutter und beginnt deshalb sich im näheren Umfeld der Verstorbenen umzusehen. In Lillis Nachlass findet Maja erste Hinweise auf ein altes Familiengeheimnis, dessen Spuren bis in den zweiten Weltkrieg führen. Doch je tiefer Maja in der Vergangenheit gräbt, desto gefährlicher werden die Nachforschungen. Jemand scheint großes Interesse daran zu haben, dieses Geheimnis um jeden Preis zu bewahren....

**Meine Meinung**

Anja Jonuleit erzählt die Geschichte von Maja, ihrer Mutter Lilli und der Großmutter Charlotte. Schritt für Schritt offenbart sich beim Lesen ein gut gehütetes Familiengeheimnis, wobei sich die vermeintliche Familiengeschichte langsam zum Spannungsroman entwickelt.

Die Handlung verläuft in zwei Erzählsträngen, die sich durch ein unterschiedliches Schriftbild gut voneinander abgrenzen.  Die Rückblicke in die Vergangenheit erhält man durch die Aufzeichnungen Charlottes. Sie schildert, in der Ich-Form, ihre Lebensgeschichte vor dem Hintergrund des zweiten Weltkriegs. Sie beginnt mit der Beschreibung ihrer großen Liebe zu Paul, die sie schließlich in ein Lebensbornheim, für unverheiratete, arische Mütter,  in der Nähe von Bremen führt. Die zweite Perspektive wird ebenfalls in der Ich-Form, diesmal aus Majas Sicht, erzählt. Hier verfolgt man, wie Maja langsam einem Geheimnis auf die Spur kommt und wie ihre Zweifel am Selbstmord der Mutter immer stärker werden.

Durch die beiden Perspektiven verläuft die Handlung abwechslungsreich und interessant. Die relativ kurzen Kapitel verleiten ausserdem zum Weiterlesen. Dennoch hat die Erzählung, gerade im Anfangsbereich der Gegenwartsperspektive, einige Längen. Die Hauptprotagonistin Maja verfolgt entscheidende Hinweise nur zögerlich oder lässt sich auf später vertrösten. Das erfordert beim Lesen etwas Geduld und lässt sich manchmal nur schwer nachvollziehen. Gerade bei einer Erzählung in der Ich-Perspektive, ist es für mich wichtig, mich in die entsprechende Figur hineinzuversetzen und ihre Handlungen nachzuvollziehen. Das ist mir in Majas Fall nicht immer gelungen. Nach ersten Startschwierigkeiten nimmt die Handlung jedoch an Fahrt auf und wird deutlich spannender.

Der Schreibstil ist flüssig und angenehm lesbar. Durch die detaillierten Beschreibungen fällt es leicht, sich Handlungsorte und Personen vorzustellen. Es ist der Autorin gut gelungen, das Rätsel um Lilli Sternbergs Tod und die genauen Hintergründe erst ziemlich zum Schluß zu enthüllen. So lange tappt man im Dunkeln und kann sich nicht sicher sein, wer es ehrlich mit Maja meint. Majas zögerliche Handlungsweise und die daraus resultierenden Folgen, lassen die Handlung allerdings stellenweise etwas konstruiert und unglaubwürdig wirken.

**Mein Fazit**

Insgesamt gesehen konnte mich "Herbstvergessene", trotz der leichten Startschwierigkeiten und der genannten Kritikpunkte, überzeugen. Was als Familiengeschichte beginnt, steigert sich im weiteren Verlauf zu einem Spannungsroman mit einem interessanten historischen Hintergrund. Obwohl ich zugeben muss, dass für meinen Geschmack schon fast zu viele Zufälle dabei waren, habe ich mich insgesamt gut unterhalten und vergebe deshalb vier von fünf Bewertungssternen.