Gelungener Roman!

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Hauptpersonen:

Da sich der Großteil der Geschichte um die Familie Sternberg dreht, liegt das Hauptaugenmerk der Autorin vor allem auf der noch lebenden Maja Sternberg, sodass es schwer ist, weitere Hauptcharaktere auszumachen. Es tauchen zwar Nebencharaktere auf, die viel zur Handlung beitragen, sich jedoch meist im Hintergrund aufhalten.

**Maja Sternberg:**

Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Restaurateur und Kunstliebhaber Wolf lebt die blonde Maja in einem kleinen Häuschen am Bodensee. Auf Wunsch ihrer Mutter Lily Sternberg hatte sie vor einigen Jahren ein Studium zur Konferenzdolmetscherin begonnen. Denn immer schon wollte Lili, dass Maja eines Tages in ihre Fußstapfen als erfolgreiche Dolmetscherin tritt, der die Ehre erwiesen wird, selbst Versammlungen auf höchster politischer Ebene verfolgen zu dürfen. Doch Maja konnte sich mit diesem Studiengang nicht identifizieren, obwohl sie stets Bestnoten erzielte. Sie wechselte deshalb zu Innenarchitektur, was Lili ihrer Tochter niemals verzeihen konnte. Maja flüchtete sich aus diesem Grund immer öfter zu ihrer Großmutter Charlotte, zu der sie stets einen sehr guten Draht hatte. Doch als diese starb, brach auch der letzte Kontakt zwischen Maja und ihrer Mutter ab. Seit vielen Jahren haben die beiden deshalb kein Wort mehr als nötig miteinander gewechselt und auch besucht hat Maja ihre derzeit in Österreich lebende Mutter schon seit langer Zeit nicht mehr.

Inhalt:

Völlig unerwartet erhält Maja Sternberg einen Anruf ihrer Mutter Lili, in dem sie Maja bittet, schnellstmöglich wegen einer wichtigen Angelegenheit zu ihr nach Österreich zu kommen. Mit einem unguten Gefühl im Magen macht sich ihre Tochter deshalb auf den Weg. Doch bei der Wohnung ihrer Mutter angekommen, wartet eine böse Überraschung auf Maja. Denn einen Tag vor ihrer Ankunft hat sich die stolze Lili Sternberg vom Balkon ihrer Wohnung gestürzt und ist dabei ums Leben gekommen. Nichts weist auf ein Gewaltverbrechen hin und doch glaubt Maja nicht an den Selbstmord ihrer Mutter und wird von Schuldgefühlen geplagt.

Auf eigene Faust versucht sie nun, etwas über die letzten Jahre ihrer Mutter herauszufinden. Doch die Suche nach Spuren erweist sich als trickreich, denn es scheint als würden immer wieder Andenken und Erinnerungen aus der Wohnung ihrer Mutter verschwinden. Lediglich ein Bild konnte Maja noch finden, das ihre Großmutter mit Lili auf dem Arm zeigt. Doch seltsamerweise entstand das Foto einige Wochen vor Lilis Geburt. Auch die Geburtsurkunde ihrer Mutter gibt Maja einige Rätsel auf, denn als Geburtsort ist Hohehorst eingetragen, das zur Zeit der Nazis als Lebensborn Heim genutzt wurde. Auch ist Lilis Vater auf der Urkunde nicht eingetragen. Maja macht sich nun auf, das Geheimnis ihrer Familie zu ergründen und gerät dabei selbst in Gefahr...

Der Lebensborn:

Am 12. Dezember 1935 wurde der „Lebensborn e.V.“ in Berlin gegründet, um

> 1. Rassisch und erbbiologisch wertvolle, kinderreiche Familien zu unterstützen. 2. Rassisch und erbbiologisch wertvolle werdende Mütter unterzubringen und zu betreuen, bei denen (...) anzunehmen ist, dass gleich wertvolle Kinder zur Welt kommen. 3. für diese Kinder zu sorgen.

(Auszug aus der Satzung der Organisation)

Der „Lebensborn e.V.“ galt rechtlich als eigenständiger Verein, war jedoch organisatorisch an die SS angegliedert. Die Finanzierung des Vereins erfolgte mit Geldern hauptamtlicher SS Führer, deren Abgaben sich nach der Anzahl ihrer Kinder richteten. Für kinderlose Familien waren die Abgaben aus diesem Grund am Höchsten. Das erste Heim „Hochland“ wurde am 15. August 1936 eröffnet, das Heim „Friesland“ auf dem Gut Hohehorst bei Bremen wurde 1938 gegründet. Um Aufnahme in einem der insgesamt etwa 28 Heimen in den verschiedensten Ländern (unter Anderem in Frankreich, Norwegen, Österreich) zu finden, mussten die schwangeren Frauen einen Stammbaum vorlegen und einen Erbgesundheitsbogen mit Angaben über mögliche erbliche Belastungen in der Familie ausfüllen. Von SS Ärzten wurden sie anschließend untersucht und „rassisch“ beurteilt. Auch wichtig waren bei Unverheirateten die Angaben zum Vater des Kindes, denn auch dieser musste den arischen Ansprüchen der Heime genügen. Zu den wohl dunkelsten Geheimnissen der Lebensborn Heime gehört wohl die Verschleppung „arisch“ aussehender Jungen und Mädchen aus den besetzten Gebieten, um sie einzudeutschen und den Bestand der „arischen“ Rasse zu sichern.

(Quellen: Wikipedia Lebensborn und Geschichtsatlas zum Thema Lebensborn)

Mein Eindruck:

Einen ersten positiven Eindruck macht schon das Cover des Buches, denn es zeigt eine junge Frau mit einem kleinen Kind auf den Arm und stimmt den Leser allein durch die Betrachtung des Romans schon wunderbar auf die Geschichte ein.

Mit flüssiger und leicht verständlicher Sprache führt Anja Jonuleit den Leser durch die Geschichte. Dabei wird stets nur aus Majas Sicht berichtet, dennoch erscheint die Erzählung gut überschaubar. Die Autorin schafft es mit nur wenigen Worten eine Szenerie aufzubauen, in der sich der Leser alles sehr detailliert vorstellen kann. Der Leser wird förmlich in den Strudel der Ereignisse hineingezogen, mitgerissen von den vielen unerwarteten Wendungen des Romans. Denn die Erzählung bleibt stets undurchsichtig und auch an den Stellen, an denen der Leser wirklich kein weiteres Geheimnis erwartet, überrascht die Autorin mit weiteren Sachverhalten, die die Lektüre dieses Romans zu einer wirklich spannenden, packenden und fesselnden Angelegenheit werden lassen. Dabei steht die Erforschung von Majas Familiengeschichte stets im Vordergrund. Dabei wirken die Charaktere stets sehr realistisch und werden mit viel Tiefengang beschrieben, sodass sich der Leser besonders gut in das Schicksal von Charlotte Sternberg einfühlen kann.

Besonders schockierend empfand ich als Leser an vielen Stellen die eingestreuten Informationen über die Lebensborn Organisation der Nationalsozialisten und die Schandtaten, die dort begangen wurden. Durch diesen geschichtlichen Hintergrund wurde das Gesamtkonzept der Geschichte gelungen ergänzt und der Leser konnte sich tief in die Erzählung einfühlen. Die Autorin bedient sich dabei einer tollen Erzähltechnik, denn zu Beginn jedes neuen Kapitels wechselt die Erzählung von der Gegenwart in die Vergangenheit der Großmutter Charlotte über, sodass der Leser mit jeder gelesenen Seite mehr über das tragische Schicksal der Familie Sternberg und die Unterbringung der Großmutter Charlotte im Lebensborn Heim in Hohehorst erfährt. Doch erst am Ende des Romans kann der Leser die gesamte Tragweite wirklich verstehen und das Puzzle der Familie Sternberg so passend zusammensetzen, dass keine Lücken oder unbeantwortete Fragen offenbleiben.

Ein gelungener Mix aus Frauenroman, Historischem und Krimi, der durchgehend spannend war und durch seine Vielschichtigkeit überzeugen konnte. Für mich persönlich ein Ausflug in ein ungewohntes Genre, der sich aber auf alle Fälle gelohnt hat!

 

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