Vergangenheitsbewältigung

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friedrich Avatar

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Bei dem Roman "Herbstvergessene" von Anja Jonuleit kann man sich nicht recht entscheiden, welchem Genre man ihn zuordnen soll. Er vereint Krimi, Frauenliteratur und ein Stück historischer Roman in sich.

In zwei Erzählsträngen wird die Geschichte von drei Frauen aufgerollt, die durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges miteinander verbunden sind. Nach und nach erfährt man die Zusammenhänge und ist doch überrascht, welche Wendungen das Schicksal und das Geschehen nimmt.

Die Mutter der Raumausstatterin Maja ist laut Aussage der Polizei einem Selbstmordversuch erlegen und Maja muss die Angelegenheiten der ungeliebten und stets unnahbaren Mutter erledigen. Bei genauerer Betrachtung der Umstände zweifelt Maja an der Selbstmordtheorie und beginnt, in das Leben der Mutter und deren Vergangenheit einzutauchen, um sich Klarheit zu verschaffen.

Parallel zu den Ermittlungen der Tochter wird in einem zweiten Erzählstrang die Geschichte von Charlotte, der Großmutter; aufgerollt. Diese wurde in jungen Jahren schwanger von dem Mann ihrer Schwester und musste zur Vermeidung der Schmach von zu Hause fliehen. Sie geht in eine Einrichtung der Nationalsozialisten, die sich um solche Fälle kümmert, und wird gut versorgt. Nach und nach jedoch zeigt sich, dass ein skrupelloser Arzt in dieser Einrichtung die Frauen und die Kinder für seine Zwecke missbraucht und auch vor medizinischen Experimenten nicht zurückschreckt. Ein Kampf zwischen der Großmutter und dem Arzt entwickelt sich, an dessen Ende vertauschte Identitäten und ein Mord stehen. Nachdem Maja die Zusammenhänge mühsam recherchiert hat und zu dem Schluss gelangt, die Mutter sei ermordet worden, ist auch ihr Leben in Gefahr.

Die Geschichte der Großmutter ist sehr anrührend erzählt und ermöglicht einen Blick auf die NS-Ideologie. Allerdings ist die Entwicklung der Charaktere trotz umfangreicher und teilweise sehr akribischer Schilderung nicht durchgehend glaubhaft.

Auf der Ebene der Geschichte Majas erzählt die Autorin behäbig und unnötig langatmig von deren Beziehungsproblemen, arbeitet andererseits jedoch subtil mit Täuschungsmanövern, die immer wieder überraschende Wendungen provozieren und den Leser mit mehreren potentiellen Tatverdächtigen konfrontieren. Zu dieser Leichtigkeit will leider das vollkommen unglaubwürdige Ende nicht recht passen.  Schade eigentlich.