Dorfleben mit allen Konsequenzen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
delizzy Avatar

Von

Da ich Martina Behm schon lange als Strickdesignerin kenne, war ich natürlich gespannt, wie sich ein Buch von ihr lesen würde!
Und ich wurde nicht enttäuscht!

Eigentlich kann man zusammengefasst sagen, dass in dem Buch nicht wirklich viel passiert.
Gleichzeitig ist diese Aussage aber auch falsch, denn im Detail passiert so richtig viel und das widerspricht sich nicht.

Das Buch liest sich wie ein Spaziergang durch ein Dorf- hier das fiktive Fehrdorf in Schleswig- Holstein, wo die Dorfbewohner ihren täglichen Verrichtungen nachgehen. Geflügelzucht, Schweinemast, Jagd, Sportschützenverein.
Die detaillierten Beschreibungen der Tätigkeiten zeugen von viel Hintergrundwissen (oder einer verdammt guten Recherche) und machen das Alltagsleben der Leute im Dorf dadurch besonders lebendig.
Nach und nach lernt man die einzelnen Leute näher kennen und blickt hinter die Kulissen der nach aussen hin fast langweilig klingenden täglichen Verrichtungen: Tiere füttern, Papierkram erledigen, Feste vorbereiten, Kuchen backen, Maschinen reparieren, auf dem Hochsitz das Wild beobachten.

Lara und Ingo sehnen sich nach ihrem Wegzug aus dem hektischen Hamburg nach genau dieser Dorfidylle, doch schon bald lernen sie, dass das tatsächliche Leben auf dem Land keine Dauerferien sind.
Ingo stresst das tägliche mehrstündige Pendeln, Lara fühlt sich trotz der Kinder einsamer, als sie sich je hätte vorstellen können.
Als Ingo auf dem Nachhauseweg eines Nachts eine weisse Hirschkuh anfährt, wirkt der gerufene Jäger beunruhigt, denn so ein Unfall bringt angeblich Pech und innerhalb eines Jahres einen Todesfall.
Natürlich tut Ingo das Ganze als Jägerlatein ab und auch meine Vorstellung, der Roman würde nun in einen finsteren Thriller übergehen, war komplett falsch.

Das Leben im Dorf geht einfach weiter, doch je mehr man über die Hintergründe, Probleme und Lebensgeschichten erfährt, desto mehr Abgründe tun sich auf. Das können ganz kleine sein, aber es gibt auch lebensverändernde Ereignisse und all das erzählt Martina Behm auf eine ruhige, jedoch so eindringliche Art, dass man sich bald selbst wie ein Dorfbewohner fühlt.
Man kennt die Eigenheiten der Leute, fiebert mit Tove mit, die unter ihrem lieblosen Ehemann leidet, möchte mehr über Uwe und sein einsames Leben wissen und freut sich über ein lustiges Feuerwehrfest.

Über allem schwebt unausgesprochen der Tod der weissen Hirschkuh und man erwartet laufend eine dramatische Wendung.
Ob diese kommt, verrate ich an dieser Stelle natürlich nicht, aber ich gebe eine klare Empfehlung für diesen Roman, der mit Dichte, detaillierten Beschreibungen und einer Fülle an Charakteren aufwartet und das auf den ersten Blick Alltägliche, Banale in eine spannende Geschichte verwandelt.