Warum in die Ferne...?

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evaczyk Avatar

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Zu Hause ist es doch am schönsten", lautet ein Lieblingsspruch derjenigen, die nicht unbedingt in die Ferne schweifen mögen. Darüber kann man diskutieren. Eines ist aber klar: Ein Urlaub im Ausland, besonders im außereuropäischen, das heißt im Sommer der Coronavirus Pandemie Regeln, Verbote, Einschränkungen. Alles so ganz anders, und hat möglicherweise gar nichts mehr von dem angestrebten Traumurlaub zu tun. Also doch in Deutschland bleiben und sehen, was sich innerhalb der Landesgrenzen an Attraktionen aufdrängt?

Mit "Hiergeblieben!" von Jens van Rooij hat das fast schon einen Befehlston. Der Leser erhält auf jeden Fall eine Reihe von Möglichkeiten zur Auswahl, unterteilt in die Nord- und die Südhälfte Deutschlands. Insgesamt 55 Reiseziele werden vorgestellt, mit Hotel- und Restauranttips, mit Attraktionen in der Umgebung und Besichtigungsvorschlägen. Das Besondere daran: Die Fotografien deutscher Reiseziele werden internationalen Sehenswürdigkeiten gegenübergestellt. Nach dem Motto: Ist genauso, nur näher.

Wenn etwa die alte Mainbrücke von Würzburg mit der Prager Karlsbrücke verglichen wird - doch, da hat der Autor schon einen Punkt. Es geht schließlich in beiden Fällen um alte Universitätsstädte in Mitteleuropa mit langer Geschichte. Mit dem Unterschied, dass die einen lieber ihren Schoppen Wein trinken und die anderen Bier vorziehen. Aber Ulm und Paris, weil sie beide eine gläserne Pyramide haben? Das ist dann doch ein etwas kühner Vergleich. Und auch wenn Frankfurt als einzige deutsche Großstadt eine Skyline zu bieten hat - ein Vergleich zu Manhattan drängt sich trotz der ebenfalls international zusammengesetzten Einwohnerschaft eher nicht auf.


Eine reizvolle Idee ist der Grundgedanke von "Hiergeblieben!" allemal. Und auch wenn sich ohne genaue Ortskenntnisse nicht sagen lässt, wie bemüht die Bildausschnitte gewählt sind, um an den berühmten Vergleich heran zu kommen. Da gelingt es tatsächlich, die Rheinbrücke bei Emmerich im Abendlicht erfolgreich an die Golden Gate Brücke in San Francisco erinnern zu lassen - und das, obwohl die Ähnlichkeiten zwischen Niederrhein und Kalifornien ansonsten begrenzt sind. Und die Schlösserpracht Ludwig des II. muss hinter dem französischen Sonnenkönig an Prunk nicht zurückstehen, auch wenn die Ausmaße dann doch etwas bescheidener sind. Wer hätte es gedacht, den "Kini" mal in Verbindung mit Bescheidenheit zu bringen!

An Vorschlägen mangelt es jedenfalls nicht: Lüneburger Heide statt Lavendelfelder der Provence, Hummerbuden auf Helgoland statt Muizenberg Beach in Kapstadt, die Felsformationen der Sächsischen Schweiz statt Zhangjiajie Forest National Park in China. Ja, es gibt schöne Reiseziele in Deutschland. Aber mein persönliches Fernweh wird deswegen trotzdem nicht geringer...