Magie und Pfirsichduft

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meldsebjon Avatar

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Irgendetwas ist magisch um Vianne Roche, die mancher vielleicht noch aus "Chocolat" kennt. Vielleicht nimmt sie die Dinge aber auch einfach schärfer wahr als die anderen Menschen: Die Düfte, Gewürze und Gefühle, die Aura anderer Menschen. Und nicht zuletzt den Wind. Der weht ihr eines Tages den Brief einer toten Freundin vor die Füße, die sie darum bittet, zurück in das kleine Dorf Lansquenet zu kommen. Zusammen mit ihren beiden Töchtern folgt sie diesem Ruf.

Einiges im Ort erinnert sie noch an die Zeit vor acht Jahren, als sie dort eine Chocolaterie führte und als sie die Fremde war. Jetzt gibt es wieder Probleme mit Fremden und auch mit dem Priester Reynaud, der damals auch ihr Widersacher war. Jetzt ist das Ganze aber vielschichtig und eine Schicht nach der anderen muss entfernt werden, bis das wahre Problem, die Ursache der unharmonischen Stimmung, offenliegt. Als vor Jahren die ersten "Maghrebiner" im Ort auftauchten wurden sie zwar nicht direkt mit offenen Armen aufgenommen, aber sie wurden toleriert und begannen, sich zu integrieren. Die Kinder spielten gemeinsam Fußball, lernten sich kennen und schlossen Freundschaften. Die einen gingen zur Kirche, die anderen zur neu errichteten Moschee, aber Feste feierte man gemeinsam. Dann zogen immer mehr "Maghrebiner" hinzu und auf einmal begann man, sich abzukapseln. Nachdem Ines kam, schwarz vermummt bis auf die Augen, begannen immer mehr Frauen sich ebenfalls zu verschleiern, Mädchen spielten nicht mehr mit Jungen, alles wurde gezwungener. Beide Parteien hatten schnell einen "Feind" ausgemacht, nämlich den Priester Reynaud. Und das ist der Grund, weshalb er sich über Viannes Ankunft freut, denn sie hat eine besondere Gabe, die Menschen zu öffnen.

Gleich fängt sie damit an, indem sie mitten in das Viertel der Maghrebiner hineinzieht, reife, duftende Pfirsiche verteilt und völlig unbekümmert auf alle Leute zugeht. Ihre Töchter machen es ihr nach und finden gleich innerhalb der jeweiligen Altersgruppe Kontakte. So manches Geheimnis schwelt da unter der Oberfläche, aber vor Vianne kann auf Dauer nichts verborgen bleiben.

Ganz zauberhaft ist das geschrieben, man spürt fast den Sommer, die Hitze und den Wind, der sich auf die Gemüter der Menschen legt. Es ist ein großes Glück für die Bewohner dieses Dorfes, dass so ein besonderer Mensch wie Vianne kommt und ihnen vor Augen führt, dass man die Dinge immer auch ganz anders betrachten kann. Trotzdem ist es kein Märchen. Sehr realistisch werden die wahren Motive aufgezeigt, auch wenn die Leute ihr Handeln stets gerne mit moralischen Werten begründen. Oberflächlich geht es zwar auch um einen Konflikt zwischen Christen und Moslems, aber das sind auch nur vorgeschobene Gründe, die von machen gezielt benutzt werden, um die eigenen Ziele zu erreichen. Meiner Meinung nach kann man solche Gründe zu jeder Zeit finden, wenn es um Glaubenskriege geht - man muss nur tief genug graben!

Ein Buch mit einem ganz besonderen Stil, das den Leser von der ersten Seite an gefangen nimmt, mit wunderbar gezeichneten Figuren, spannenden Geheimnissen und einem aktuellen Thema. Eine richtige Perle, die ich nur allerwärmstens empfehlen kann!