Marmelade statt Schokolade

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karschtl Avatar

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Als ich die Leseprobe bei vorablesen gesehen habe, nahm ich an es würde sich um den 2. Teil des Bestsellers "Chocolat" handeln. Immerhin ist ja sogar auf dem Buchcover vermerkt, dass es sich hier um die Fortsetzung handelt. Erst als ich das Buch dann wirklich in den Händen hielt sah ich, dass es eigentlich schon der 3. Teil um Vianne Rocher ist. Hinten gibt es nämlich eine Kurzinfo zum 2. Teil, der "Himmlische Wunder" heißt und bereits 2008 auf deutsch erschienen ist. Allerdings spielt er wohl in Paris, wohingegen Vianne und ihre Familie in "Himmlische Träume" nach Lansquenet zurück kehrt, nachdem Sie einen (alten) Brief ihrer vor 8 Jahren verstorbenen Freundin Armande erhält. Dieser Roman spielt somit auch nur 8 Jahre nach "Chocolat", obwohl ja im wahren Leben schon sehr viel mehr Zeit zwischen den Erscheinungsterminen der einzelnen Bücher vergangen ist.

Im Buch finden sich dann auch ständig Referenzen zu den damaligen Geschehnissen (eben den in "Chocolat" beschriebenen), wohingegen kaum etwas über die Zeit in Paris erzählt wird (nur die Zozie wird öfter erwähnt). Ist für diese Geschichte wahrscheinlich unerheblich.
Auch diesmal stören "Fremdlinge" das Dorfleben von Lansquenet, doch wo vor 8 Jahren Vianne selbst und später die Flussratten die Fremdlinge waren, sind es diesmal die Maghrebiner, die das Dorf förmlich spalten. Zuerst lebten sie einigermaßen friedlich Seite an Seite mit den 'alten' Dorfbewohnern, es entwickelten sich sogar Freundschaften besonders unter den Jugendlichen. All das hat sich geändert seit sich Karim und seine geheimnisvolle Schwester Inés dort niedergelassen haben und die Maghrebiner zu ihren traditionellen Werten und Lebensweise zurückführen wollen. Vianne hat alle Hände voll zu tun, zwischen den einzelnen Parteien zu vermitteln und vor allem ihrem alten Feind Peré Reynaud zur Seite zu stehen, der plötzlich zu einem Freund wird.

Die Geschichte war für mich vor allem sehr lehrreich, da ich bisher kaum etwas über die Maghrebiner bzw. Nordafrikaner generell die sich in Frankreich angesiedelt haben gelesen habe. Passend fand ich es auch, dass es zur Zeit des Ramadan spielt, da ich darüber ebenfalls kaum etwas wusste. Ironischerweise beschäftigen sich die Frauen während dieser Zeit tagsüber hauptsächlich damit, haufenweise Essen zu kochen, backen und zuzubereiten, das sie nach Sonnenuntergang dann endlich essen können. Aber eigentlich kein Wunder, wenn man Diät hält denkt man manchmal ja auch ständig nur ans Essen, das man sich versagt.

Zum Ende hin, etwa ab dem Teil "Ritter der Kelche" wurde es dann auch wirklich spannend und die letzten 180 Seiten habe ich an einem Abend ausgelesen. Der Rest davor war mehr so wie die Pfirsichstücke, die über Nacht eingelegt ziehen müssen, bevor sie dann verarbeitet werden. Etwas langatmig. In "Chocolat" war die Atmosphäre irgendwie dichter, und die Beschreibungen des Pralinenherstellens eindeutig ausschweifender - aber vielleicht wollte die Autorin sich auch nicht immer wiederholen, was ja durchaus positiv zu werten ist.
Dennoch fand ich "Chocolat" von der Geschichte her doch noch besser, auch wenn "Himmliche Träume" ebenso schön zu lesen ist. Ist irgendwie so wie mit Schokolade und Marmelade. Beides isst man gern, aber wenn man wählen müsste würden die meisten wohl doch die Schokolade wählen.

An den Wechsel der Erzählperspektiven hatte ich mich schnell gewöhnt, vor allem als ich dann nach dem 4. Wechsel auch gecheckt hatte dass der Halbmond und das Kreuz am Beginn jeden Kapitels ein Hinweis auf den Erzähler ist.

Ich könnte mir auch bei diesem Buch eine Verfilmung sehr gut vorstellen, allerdings nur wenn wieder Juliette Binoche die Rolle der Vianne übernimmt da sie sich als Vianne schon in mein Hirn eingegraben hat und ich beim Lesen ständig nur ihr Gesicht vor Augen hatte.