Eine poetische Reise durch ein bewegtes Leben

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Lai Wens Roman Himmlischer Frieden hat mich tief bewegt. Selten habe ich ein Buch gelesen, das so poetisch und gleichzeitig so kraftvoll erzählt ist. Es ist eine Geschichte über das Aufwachsen in einem Land, das von politischen Spannungen und familiären Wunden geprägt ist. Vor allem aber ist es die Geschichte eines Mädchens, das seinen eigenen Weg sucht und findet.

Lai wächst in einem einfachen Arbeiterviertel in Peking auf. Ihr Alltag ist geprägt von Enge, Kontrolle und Schweigen. Der Vater ist still und innerlich gebrochen von dem, was er in der Zeit der Kulturrevolution erlebt hat. Die Mutter interessiert sich vor allem für den äußeren Schein. Nur die Großmutter laut, direkt, herzlich und gibt Lai Halt und Liebe.

Was das Buch so besonders macht, ist die Tiefe, mit der wir Lais Innenleben miterleben. Wir begleiten sie über viele Jahre. Vom kleinen Kind bis zur Studentin an der renommierten Peking-Universität. Es sind nicht große, dramatische Wendungen, sondern oft kleine, leise Beobachtungen, die einem unter die Haut gehen. Wie Lai sich selbst entdeckt, Bücher für sich entdeckt, die Kraft der Sprache und die Sehnsucht nach Freiheit. All das wird in einer so feinen, poetischen Sprache beschrieben, dass man beim Lesen fast jedes Wort zweimal liest, einfach weil es so schön ist.

Besonders beeindruckt haben mich Lais Gedanken, ihre Empfindsamkeit und Klarheit. Obwohl sie zurückhaltend ist, hat sie so viel zu sagen. Es ist genau diese leise, nachdenkliche Art, mit der sie die Welt betrachtet, die mich als Leserin berührt hat. Ihre Entdeckung der Literatur ist auch meine Lieblingsstelle im Buch. Sie erinnert daran, warum Bücher so wichtig sind. Weil sie Welten öffnen, Halt geben, Mut machen.

Der Roman erzählt aber auch von den politischen Umbrüchen in China, vor allem von der studentischen Protestbewegung 1989. Lai wird Teil dieser Bewegung, fast beiläufig und doch konsequent. Die Autorin, Lai Wen, hat selbst an diesen Protesten teilgenommen, was der Geschichte zusätzliche Tiefe und Glaubwürdigkeit verleiht. Es geht um Mut, um Aufbruch, um die Hoffnung auf Veränderung und auch um Schmerz und Verlust.

Trotz der historischen Hintergründe ist Himmlischer Frieden kein politisches Buch im klassischen Sinn. Es ist zutiefst menschlich. Es erzählt von Freundschaft, Familie, erster Liebe, aber auch davon, wie das politische System ganz direkt in das Leben einzelner Menschen eingreift. Und es zeigt, wie die Nachwirkungen der Kulturrevolution sich noch über Generationen ziehen.

Für mich war Himmlischer Frieden ein besonderes Leseerlebnis. Jeder Satz war ein Genuss, jeder Abschnitt voller Gefühl und Wahrheit. Ich habe Lai beim Lesen so sehr ins Herz geschlossen, dass ich sie nicht mehr vergessen werde. Es ist eines dieser Bücher, das bleibt. Still, stark und leuchtend.

Fazit:

Himmlischer Frieden ist ein stilles, aber kraftvolles Buch über das Erwachsenwerden in einer schwierigen Zeit. Es lebt von seiner Sprache, seiner Poesie und einer tiefen Menschlichkeit. Es erzählt vom Mut, anders zu denken, vom Wert der Freundschaft und der Kraft der Literatur. Für mich war es eine Inspiration. Ein Buch, das ich nicht mehr vergessen werde, und eine Protagonistin, die bleibt.