Erwachsenwerden in einem totalitären Staat

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Lai wächst in den 1970er-Jahren in einem Arbeiter*innenviertel in Peking auf. Sie wohnt zusammen mit ihrer strengen Mutter, ihrem von der Kulturrevolution geprägten, verschlossenen Vater, ihrem jüngeren Bruder, zu dem sie keine besonders enge Bindung spürt, und ihrer unkonventionellen Großmutter, die Lai über alles liebt. Schon als Kind ist Lai zurückhaltend und findet nur schwer Anschluss, doch Bücher geben ihr Halt und lassen sie für einen Moment der harten Realität entkommen. Deshalb entscheidet sie sich, Literatur zu studieren. An der Universität wird sie Teil der studentischen Demokratiebewegung und erfährt 1989 die politischen Repressionen hautnah.

Leser*innen lernen nicht nur, was es für ein Kind bedeutet, in einem emotional kühlen Umfeld aufzuwachsen, sondern erleben auch den Alltag junger Menschen in China während der 1970er und 1980er Jahre. Die Geschichte beginnt eher leise und wird erst im letzten Drittel richtig spannend, wenn die politischen Ereignisse in den Vordergrund rücken.

Besonders berührt hat mich die Beziehung von Lai und ihrer Großmutter. Dank der bildhaften Sprache des Romans entstand in meinem Kopf ein klares Bild dieser warmherzigen und selbstbewussten Frau. Weniger gelungen fand ich die Passagen zu Lais erster Liebe, die stellenweise zu viel Raum einnimmt. Dagegen empfand ich den starken Fokus auf Freundschaft zu Beginn und am Ende als wohltuend und bewegend.

„Himmlischer Frieden” ist ein eindrucksvoller autofiktionaler Roman. Wer sich für 560 Seiten Zeit nehmen möchte, erlebt eine bewegende Geschichte über mutige Frauen, berührende Freund*innenschaften und den Kampf um Freiheit. Wichtig: Das Buch behandelt sensible Themen wie selbstverletzendes Verhalten, physische und emotionale Gewalt sowie Tod – eine Triggerwarnung fehlt leider.