Jugend in China

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loreley Avatar

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In dem Roman begleitet man Lai, die in den 70er/80er Jahren in Peking aufwächst. Dreh- und Angelpunkt ist das Haus, in dem das Mädchen aufwächst. Die Eltern, die Großmutter, der kleine Bruder und die Nachbarschaft bilden das Zentrum von Lai. Die Familie hat jedoch einige Risse. Der Vater leidet unter dem kommunistischen Regime, zieht sich in sich zurück und wird immer schweigsamer. Die Mutter ist stets auf den äußeren Schein und die Anerkennung der anderen bedacht und vernachlässigt dabei ihre Tochter. Lediglich die Großmutter, die sich nicht scheut sich systemkritisch zu äußern, ermuntert ihre Enkelin, mehr aus sich zu machen. Aber das Stille und zurückhaltende Mädchen wird immer angepasster, nachdem sie als Kind mit Freunden eine Ausgehsperre ignoriert und dafür Gewalt von den Soldaten erfahren hat. Immer mehr versucht sie es anderen Recht zu machen und am besten unsichtbar zu sein, mitzuschwimmen und das zu sagen, was die systemtreuen Lehrer hören wollen.

Es kommt langsam zu einer Entwicklung, als die Großmutter verstirbt und Lai an der Universität zu studieren beginnt. Dort wendet sich auch noch ihr langjähriger Freund von ihr ab, so dass sie den Druck nur noch durch Ritzen ertragen kann. Aber es langsam beginnt auch eine Wandlung, als sie die unkonventionelle Anna kennenlernt und sich den studentischen Aufstände für Freiheit und Demokratie anschließt, die nachher auf den Protestbekundungen auf dem Platz des Himmlischen Friedens gipfeln.

Der biographische Roman erzählt in leisen Tönen vom Frauenbild Chinas, den Traditionen, der Rolle der Familie und natürlich von Staatshörigkeit und Mitläufertum. Es ist manchmal schwer Lai zu verstehen. Als Leser wünscht man ihr, sie würde nicht alles mit sich machen lassen; durch die frühe Gewalterfahrung blieb ihr aber wohl nichts anderes übrig als sich anzupassen.
Verstehen konnte ich wiederum ihre Flucht in fremde Buchwelten und ihre Liebe zur Literatur:

"Ich schließe die Seiten um und nahm das entgegen, was Literatur bieten kann. Die Möglichkeit, der Wirklichkeit zu entfliehen, auch wenn es nur kurz anhält. Abstand zum eigenen Leben zu bekommen und an der Erfahrung anderer teilzuhaben als unsichtbare Präsenz irgendwo am Rande der Seiten. Lesen war schon immer mein Zufluchtsort gewesen."

"Himmlischer Frieden" ist ein ruhiger Roman und ein Stück Zeitgeschichte Chinas von einem Mädchen, das langsam ihre eigene Stimme findet und war sehr schön zu lesen.