Watson & Holmes 2016

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Sherlock Holmes und Dr. Watson werden zu realen Personen, Sir Arthur Conan Doyle zu Watsons Literaturagenten. Denn sonst würden James Watson, Ururenkel des berühmten Gefährten des noch berühmteren Londoner Detektivs und dessen Urgroßnichte Charlotte Holmes nicht auf der nordamerikanischen Privatschule Sheringford in Connecticut aufeinander treffen. Während Charlotte aus Prestigegründen von ihrer wohlhabenden Familie in die USA geschickt wurde, hat James, der in der Nähe von Sherringford aufwuchs und nach der Scheidung der Eltern bei seiner alleinerziehenden Mutter in London lebte, aufgrund eines gut absolvieren Rugby-Spiels ein Stipendium am Elite-Internat gewonnen, um das dortige Rugby-Team nach vorn zu bringen. Dass James und Charlotte sich begegnen, scheint Schicksal zu sein. James, der selbst Schriftsteller werden will, Rugby eigentlich hasst und viel lieber in Großbritanniens Hauptstadt geblieben wäre als in die Nähe seines Vaters ziehen zu müssen, ist mit dem Umzug lediglich versöhnt, weil er an eine Schule mit einer noch besseren Literaturabteilung wechseln kann und Charlotte, mit der er in seiner Phantasie schon so manchen Fall gelöst hat, real kennen zu lernen. Zwar wird er von seiner Mutter gewarnt vor den seltsamen Holmes' - doch James möchte das einst erfolgreiche Duo gerne in seiner Generation wieder aufleben lassen, zumal Charlotte bereits bei einem Diamantenraub die Polizei erfolgreich unterstützte. Seine erste Begegnung mit Charlotte findet während eines Pokerspiels statt, das Charlotte haushoch gewinnt. Auch sieht sie seiner Phantasie-Charlotte weniger ähnlich, sondern eher ihrem dünnen und kantigen Vorfahren. Gerüchte über Charlottes Alkoholkonsum und ihre Drogenabhängigkeit machen die Runde, ganz wie man es von ihrem berühmten Onkel kennt. Doch sie scheint eine selbstbewusste und selbständige junge Frau zu sein, die Gleichaltrigen damit Angst macht. James kann sie in der Tat gut deduzieren - eine Kunst, in der sich die gesamte Familie übt, als sie das zweite Mal aufeinander treffen und James sich in ungeschicktem Smalltalk versucht. Schließlich äußert sich Lee Dobson, einer von James' neuen Klassenkameraden despektierlich über Charlotte, worauf James sich mit ihm prügelt. Doch Charlotte geht dazwischen und macht mehr als deutlich, dass sie sehr gut auf sich alleine aufpassen kann und derlei wenig schätzt. James muss ihr insgeheim recht geben, doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Denn Lee Dobson wird ermordet. Ein erster Fall für die Neuauflage von Holmes und Watson in 2016?
James Watson wurde als Ich-Erzähler gewählt, wie auch sein Vorfahr die Geschichten über Holmes berichtete. Der Schreibstil ist recht interessant gewählt, erinnert ebenfalls an die viktorianischen Zeiten der Originale. Insofern ist aufmerksames Lesen angesagt. Schnell findet man in die Geschichte hinein, kann James' Gedankengänge sehr gut nachvollziehen.
Leider sieht die Cover-Charlotte nicht so aus, wie sie im Buch beschrieben wird. James wirkt so smart, wie er wohl gerne sein möchte. Die Darstellung als Schattenbild kommt sehr gut rüber, die pinkfarbene Schrift weist eher auf eine Lektüre für Mädchen hin.
Leider weist der Deutsche Titel nicht wie der Originaltitel "A Study in Charlotte" auf "A Study in Scarlet" - "Eine Studie in Scharlachrot", auf eines der Abenteuer des berühmten Gespanns hin, ließe sich aber in der Tat eher holprig übersetzen. "Holmes & Ich" mit Untertitel dagegen könnte bedeuten, dass eine Reihe an Romanen angedacht ist.