Unglaublich guter Sciencefiction

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soetom Avatar

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Meistens habe ich eine recht genaue Vorstellung von dem, was ich über ein Buch sagen will. Bei diesem ist es anders. Es liegt zum einen daran, dass es fast unmöglich ist, mehr über die Handlung zu sagen als im Klappentext steht, weil sich die Handlung so irrwitzig durch unerwartete, spektakuläre Wendungen hindurch windet, dass eine kurze Zusammenfassung schlicht unmöglich ist. Es liegt aber auch daran, dass es nicht einfach ist, vorher etwas über die Handlung zu sagen, ohne die Überraschung beim Lesen zu verderben.

Das einfache vorweg: Dies Buch ist ein großartiger Sciencefiction – aber es setzt recht viel Vorerfahrung mit dem Genre und mit tatsächlichen Forschungen zu Zukunftstechnologien voraus. Aber wenn man sich darauf einlässt, ist es erstaunlich, wie schnell der fiktive Alltag in der Zukunft für selbstverständlich genommen wird. Und im Grunde geht es in der Geschichte um völlig von Hintergrund unabhängige Fragen: Liebe und die menschliche Natur.

Ganz am Anfang trifft der Protagonist beispielsweise auf einen Liebhaber, der ihm sagt: „Du bist ja verliebt!“ „Nein, ich weiß ja nicht mal, ob es ein Mann oder eine Frau ist“, antwortet der Held. „Aber ist das denn wichtig?“ Ist die Gegenfrage.
Die grundsätzlichen menschlichen Bedürfnisse nach Zuneigung, Liebe und Sex ziehen sich durch die gesamte Handlung, ohne irgendwann schlüpfrig, platt oder unangemessen zu werden.

Die zweite Frage findet sich auch in einem Dialog am Anfang. Der Held ist entsetzt als er erfährt, dass mit Technologie in Funktionsweisen des menschlichen Gehirns eingegriffen wird. Die lapidare Antwort ist: „Willkommen bei den Menschen!“
Und dieses „erst ausprobieren, dann über Konsequenzen nachdenken“ taucht immer wieder auf, auch mit einem kurzen Exkurs auf die Katastrophe im Kernkraftwerk Tschernobyl.

Bei allen auf den ersten Blick absurden Facetten der Geschichte habe ich nichts gefunden, bei dem ich dachte „das ist jetzt aber nur Fantasie des Autors“. Alles lässt sich vom Heute durch konsequentes weiter denken herleiten. Ob es wahrscheinlich ist, ist eine andere Frage. Unmöglich ist in meinen Augen nichts. Und das ist bei der Fülle von kleinen Details eine erstaunliche Leisteng.

Am Ende des Buches hat der Leser eine Achterbahnfahrt durch den Menschen mit all seinen Abgründen hinter sich, ohne dass klar wird, ob seine Experimentierfreude am Ende Untergang oder Rettung ist. Ein gelungenes Buch zum Nachdenken, hinterfragen und sich mitreißen lassen.
Absolut lesenswert!