Liebe unterm Hollerbusch

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sago Avatar

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Wirklich begeistert hat mich das Cover diese Taschenbuches. Blätter in zartem Blau auf weißen Grund mit auberginefarbenen Holunderbeeren auf weißem Grund, dazwischen ein Vogel, der sich auch auf dem Buchrücken wiederfindet: Das sieht im Buchregal sehr hübsch aus. Leider konnte nach meinem Geschmack die Geschichte nicht ganz mit der hübschen Verpackung mithalten. Nach einer gescheiterten Beziehung flieht Anne zu ihrer Tante Tilly auf ein heruntergekommenes Grundstück an der Lübecker Bucht. Anne wirkte auf mich häufig nicht wie über 40, sondern wie ein unreifer Teenager. Sie geht noch in diesem Alter gern "starke Männer gucken", indem sie sich vor ein Fitness-Studio setzt beispielsweise. Dass innere Stärke zählt, muss sie erst mühselig begreifen. Die Teenagerin Kyra scheint häufig reifer als Anne, während Anne verblüffenderweise schon überfordert ist, wenn Kyra ihr von Problemen mit ihrem Freund berichtet. Dass Kyras Vater, der verwitwete Arzt Carsten, Annes neuer Auserwählter wird, daran lässt die Autorin von Beginn an keinen Zweifel. Dieser Carsten wird mal als Vogelscheuche, mal als schöner Mann beschrieben, normale Mitteldinger scheint es nicht zu geben. Schon nach der ersten Begegnung entbrennt Anne in Sehnsucht nach ihm, obwohl sie ihn ewig nicht wieder trifft. Bei der zweiten Begegnung stolpern sie ineinander, und nun ist es endgültig um Anne geschehen. Eben wie ein Teenie...
Die Highlights des Buches waren für mich die exzentrische Tante Tilly und ihr bisisiger Mops Hugo sowie dass Holunderbüsche, die ich einfach liebe, in der Story eine Rolle spielen. Anne eröffnet ein Café auf dem Grundstück, dessen Angebot auf Holunderprodukten basiert. Zum Glück wird man hier aber nicht mit endlosen Rezepten genervt wie in manch anderem Roman, in dem die Protagonistin in der kulinarischen Branche tätig ist.
Leider ist Tilly an Alzheimer erkrankt. Sie möchte niemandem zur Last fallen und wählt einen ziemlich drastischen Ausweg. Das ermöglicht, dass der Roman sein reines Unterhaltungsniveau beibehalten kann. Einen endlosen Verfall, das muss ich fairerweise sagen, hätte ich aber nicht gern miterlebt. Auch bei Tilly finden sich manche Motive, die ich übertrieben fand, so die plötzliche hingebungsvolle Liebe eines alten Fischers, der sich willig von ihr beschimpfen und von Hugo wiederholt bis aufs Blut beißen lässt.
Insgesamt habe ich die Geschichte nicht ungern gelesen, wenn mir auch der Vorläufer "Winterapfelgarten" einen Tick besser gefallen hat. Bedauerlicherweise ist auch das Strickmuster sehr ähnlich. In den "Holunderherzen" findet sich zudem ein Stilmittel, das mir beim letzten Roman nicht aufgefallen ist: Die unentschlossene Anne führt Monologe nach dem Strickmuster "Ja? Nein? Oder doch?" wiederholt, was sie noch unreifer erscheinen lässt und nervt. Auch wirkt es ein wenig, als sollte die Wortzahl künstlich gesteigert werden.
Fazit: Kann man lesen, muss man aber nicht.