Verwirrung der Herzen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
happiness Avatar

Von

Die Leseprobe ließ schon erwarten, dass es sich bei diesem Roman um eine leichte Sommer- und Urlaubslektüre handeln würde, etwas zum Abschalten und Entspannen. Das Cover ist wunderschön aufgemacht, die naive Darstellung des Holunders passend zum Titel und sehr stimmungsvoll. Die Story startet spannend, die 40jährige Anne besitzt einen Cateringservice in der Stadt. Sie lebt im selben Haus wie ihre Eltern, was oft nervt, denn mit den Männern ihres Lebens hatte sie bislang kein Glück und ihre Mutter wünscht sich doch endlich Enkelkinder. Nach dem Scheitern der letzten Beziehung lässt sie sich sowohl sehr bereitwillig als auch ausgiebig von Freundin Gesa trösten. Gesa arbeitet für Anne und tritt als starke Frau und Seelentrösterin auf. Sie übernimmt, zusammen mit ihrem Mann, auch das Geschäft, als Anne sich zum Umzug zu ihrer eigenartigen Tante Tilly an die Ostsee entschließt.
Anne und Tilly sind grundverschieden - die Tante eine pampige Lebenskünstlerin, Anne die Macherin, wenn es um Geschäftsideen und deren Umsetzung geht. Sie stürzt sich auch in Tillys „Holunderdorf“ - Tillys heruntergekommener Bleibe, ein Platz mit Wohnwagen und einem schiefen, heruntergekommenen Wohnhaus - sofort wieder in die Arbeit. Probiert, entwickelt Ideen, um den hier wild wachsenden Holunder an die potenzielle Kundschaft zu bringen. Hilfe bekommt sie vom wortkargen alten Fischer Thies und von Kyra, einem Teenager aus dem benachbarten Städtchen. Kyras Vater ist der Landarzt, natürlich wirft Anne umgehend ein Auge auf ihn. Dass sie sich - obwohl Beide sich noch gar nicht weiter kennen - vor seine Praxis setzt und überlegt, ob sie denn nun hinein gehen und ihm über ihre Gefühle berichten soll, ist schon ein komischer Gedanke. Und tatsächlich, auf ihrem Weg in seine Praxis stolpert sie ihm geradezu in die Arme.
Anne eröffnet im halbwegs hergerichteten windschiefen Häuschen ein Café, wo sie selbstgebackene Holunderspezialitäten anbietet. Kyra arbeitet mit, bindet sich eng an Anne - die alte Tilly hingegen zieht sich mehr und mehr zurück. Sie muss erkennen, dass sie nicht einfach nur tüddelig wird, sondern ernsthaft erkrankt ist. Tillys Freitod ist einfühlsam und nichts beschönigend beschrieben, mehr von diesem flüssigen Stil hätte dem Roman gut getan.
Und von den schönen Ostseeimpressionen hätte ich mir mehr gewünscht als gelegentliche Bernsteinfunde des Fischers Thies, den Holunder oder eine kurze Beschreibung der Steilküste samt Meer und ablandiger Strömung. Bis auf gelegentliche Ausflüge ins fiktive Städtchen „Glückstadt“ spielt sich alles im „Holunderdorf“ oberhalb der Steilküste ab. Was mir auffällt: die Figuren sind allesamt etwas überzeichnet. Anne in ihrer großen Unsicherheit in zwischenmenschlichen Dingen, Freundin Gesa mit ihrem übergroßen Bemutterungswillen, die Widerborstigkeit von Tante Tilly und ihrem dicken Mops Hugo, die riesige Abneigung von Annes Mutter gegen Tilly und deren Lebensstil, der alte Fischer Thies in seiner beschriebenen Einfachheit - alles wirkt ein bisschen übertrieben.
Kurzum: schnell lesbare, leicht verdauliche Urlaubslektüre, auch zum Schmunzeln.