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nadisa0603 Avatar

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House of Rayne ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sich Gothic-Horror, Dark Romance und queere Erzählkunst auf faszinierende Weise verbinden lassen. Harley Laroux schafft eine Geschichte, die gleichzeitig verführerisch, beunruhigend und zutiefst emotional ist. Das alte Herrenhaus, die abgelegene Insel und die religiöse Enge der Gemeinschaft erzeugen eine dichte, fast greifbare Atmosphäre, in der sich Beklemmung und Sehnsucht die Waage halten. Man spürt die Einsamkeit und das Misstrauen, das in jeder Ecke des Hauses lauert – und doch bricht durch all das Dunkel immer wieder ein zarter, hoffnungsvoller Funken von Nähe und Verständnis zwischen den beiden Hauptfiguren hervor.
Was die Autorin besonders gut gelingt, ist die Balance zwischen sinnlicher Leidenschaft und psychologischer Tiefe. Die Beziehung zwischen Salem und Rayne ist keine einfache Romanze, sondern eine Reise durch Schmerz, Scham, Verlangen und Vertrauen. Beide Frauen tragen ihre Vergangenheit wie eine zweite Haut, und erst im Zusammenspiel beginnen sie, diese Schichten abzulegen. Dadurch bekommt die Geschichte eine emotionale Authentizität, die viele klassische Gothic-Romane vermissen lassen.
Auch thematisch überzeugt House of Rayne: Laroux greift religiöse Unterdrückung, gesellschaftliche Erwartungen und den Umgang mit Trauma auf, ohne dabei den Unterhaltungswert zu verlieren. Der Horror dient nicht nur der Spannung, sondern spiegelt die inneren Konflikte der Figuren wider – die Angst vor dem, was im Dunkeln lauert, steht symbolisch für die Angst vor der eigenen Wahrheit. Dieses Wechselspiel zwischen äußerem Grauen und innerem Erwachen ist eine der großen Stärken des Buches.
Natürlich hat die Geschichte auch ihre Schwächen – gelegentlich verliert sich der Plot in atmosphärischen Beschreibungen, und manche Nebenfiguren bleiben blasser, als man es sich wünschen würde. Doch diese kleinen Unebenheiten verblassen angesichts der emotionalen Kraft und der bildhaften Sprache, die Harley Laroux meisterhaft einsetzt.
Insgesamt ist House of Rayne ein Roman für Leser*innen, die sich nach düsterer Romantik, intensiver Symbolik und einem Hauch von Schrecken sehnen. Es ist keine leichte Kost – aber eine fesselnde, sinnliche und berührende Erfahrung. Wer sich auf die Dunkelheit einlässt, findet darin nicht nur Angst und Schmerz, sondern auch Schönheit, Liebe und Erlösung.