Wenn Atmosphäre allein nicht reicht

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teresa19 Avatar

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House of Rayne von Harley Laroux beginnt mit vielversprechenden Zutaten: eine abgelegene Insel, ein unheimliches Herrenhaus, ein düsteres Geheimnis und eine fragile Protagonistin, die versucht, vor ihrer Vergangenheit zu fliehen. Salem, frisch getrennt und emotional am Boden, sucht auf Blackridge Island Ruhe und findet stattdessen Rayne, eine geheimnisvolle Frau, deren dunkle Anziehungskraft sie sofort in ihren Bann zieht. Zwischen beiden entsteht eine intensive, körperliche Beziehung, die schnell gefährlich obsessiv wird. Doch die Insel birgt ein eigenes Grauen: Stimmen, Schatten und verschwindende Gäste deuten auf eine übernatürliche Präsenz hin, die weit mehr als nur eine Legende ist.
Klingt nach einem Gänsehaut-Garanten und tatsächlich überzeugt das Buch zu Beginn mit einer dichten, beklemmenden Atmosphäre. Laroux versteht es, Spannung aufzubauen und das Gefühl zu vermitteln, dass jederzeit etwas Unheilvolles geschehen könnte. Die religiös-fanatische Inselgemeinschaft, das alte Haus und das unterschwellige Gefühl, beobachtet zu werden, schaffen eine starke Kulisse für einen psychologisch aufgeladenen Horror. Leider bleibt diese Stärke im weiteren Verlauf unter einer Flut an Erotik-Szenen begraben.
Der Horror, der anfangs so intensiv wirkt, wird zunehmend vom Spice verdrängt, und das in einem Ausmaß, das die eigentliche Handlung fast erstickt. Kaum hat man sich in die bedrohliche Stimmung eingelesen, folgt die nächste ausufernde Sexszene, die weder emotional noch erzählerisch sinnvoll eingebettet ist. Besonders fragwürdig ist dabei, wie manche Szenen gestaltet sind, übertrieben, unpassend und stellenweise schlicht unangenehm. Der Horror tritt dadurch in den Hintergrund und verliert seine Wirkung.
Auch die Figuren leiden unter dieser Schwerpunktverschiebung. Salem wirkt oft naiv, passiv und emotional leer. Ihre schnelle Hingabe an Rayne erscheint weniger wie ein Ausdruck tiefer Verbindung, sondern eher wie eine ungesunde Abhängigkeit. Rayne selbst bleibt undurchsichtig, aber nicht im faszinierenden, sondern im blassen Sinn. Die Beziehung zwischen beiden soll gefährlich-verführerisch wirken, gleitet jedoch häufig in klischeehafte Dominanzmuster ab, die jegliche psychologische Tiefe vermissen lassen.
Der Schreibstil ist flüssig, und die Atmosphäre bleibt über weite Strecken stark, doch inhaltlich wirkt House of Rayne unausgegoren. Das Buch hätte ein intensiver, vielschichtiger Horrorroman werden können, der religiösen Fanatismus, weibliche Selbstfindung und übernatürlichen Schrecken miteinander verwebt. Stattdessen verliert es sich im Versuch, Dark Romance und Horror zu vereinen, ohne beiden Genres wirklich gerecht zu werden.