Einzigartiges und starkes Debüt

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needy&witty Avatar

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“Hundesohn” zählt sprachlich zu meinen absoluten Highlights des Jahres! Ich hätte mich in einzelne Passagen reinlegen können. Manche Absätze habe ich immer und immer wieder gelesen. Einfach weil sie sprachlich so schön waren, dass ich sie bis zur letzten Silbe auskosten wollte. Das Spiel mit verschiedenen Sprachen, der Übersetzung einzelner Sätze und der gleichzeitigen Sprachlosigkeit des Protagonisten macht den Roman einzigartig und unverwechselbar. Ozan Zakariya Keskinkılıç hat es in Perfektion geschafft, dass ich mich seinem Protagonisten Zeko durch seine individuelle Sprache sehr nah gefühlt habe.

Der poetische Schreibstil clasht mit der Rohheit des Inhalts und wird immer wieder gebrochen. Ich habe genauso gerne über Zekos Gedanken über Grindr-Profile und seine Treffen mit verschiedenen Männern in Berlin gelesen wie über die Erinnerungen an seine Großeltern in der Türkei. Auch die große Sehnsucht nach Hassan, von dem der Protagonist, wie besessen scheint, fügt sich hervorragend ein. Mir hat es gut gefallen, dass die Beziehung zu Hassan bis zuletzt nebulös bleibt und das Bild nur Stück für Stück klarer wird. Ozan Zakariya Keskinkılıç versteht es hervorragend, seinen LeserInnen einen Knochen vor die Nase zu halten. Nur um ihn dann schnell wieder wegzuziehen, bevor man ihm zu nahe kommt. Als Leserin habe ich mich gefordert gefühlt, diese Leerstelle zu füllen. Zwischen den Extremen, die den Protagonisten ausmachen, sind der Fantasie dabei keine Grenzen gesetzt.

Für mich stand die Suche nach der eigenen Identität als Thema über allem. Ozan Zakariya Keskinkılıç schreibt über einen Protagonisten, der zwischen Berlin und Adana wandelt. 3000 Kilometer innere Zerrissenheit. Trotz der starken Prägung durch seine Familie fühlt er sich entwurzelt. “An keinem Ort der Welt bleiben mir die Fragen erspart. Immer gibt es etwas, das mich verrät, immer bleibe ich ein Dritter im Leben der anderen.” (S. 183) Selbst im Zusammenspiel mit seiner Freundin Pari, mit der er über vieles spricht, bleibt da doch immer ein Gefühl von Vorsicht und Distanz. Im Kapitel “Was ich meiner Therapeutin niemals sagen werde” hat es Ozan Zakariya Keskinkılıç dann aber geschafft, dass mich Zeko als Leserin plötzlich ungefiltert in sein Leben lässt - anders als alle anderen Menschen, denen er begegnet. Dieser Trick ist bei mir komplett aufgegangen. Spätestens danach konnte ich mich ihm nicht mehr entziehen!

Ganz große Empfehlung für dieses einzigartige und starke Debüt!